Hauptartikel Unsere Familie, 15. Jahrgang, Nummer 7, 5. April 1955
Unser Herr musste sein Golgatha durchleben, denn es war die Voraussetzung fuer seine Auferstehung. Er musste zuvor den Hohn und den Hass erdulden, den die Hohepriester und Schriftgelehrten ueber ihn ausgossen, als er in ihre Hand gegeben wurde. In ihre Hand gegeben unter dem Willen Gottes, damit die Ueberlieferungen in den alten Schriften, damit die Worte der Propheten sich erfuellten, die Gott durch diese begnadeten Maenner zu verschiedenen Zeiten und lange vor der Geburt des Menschensohnes hatte verkunden lassen. Um der Erfuellung seines Wortes willen musste es geschehen. Christus musste leiden und musste einen schimpflichen Tod schmecken, er, der in seinem Leben den Menschen nur Liebe und nichts als Liebe erwiesen hatte. Sein himmlischer Vater nahm ihm nichts ab von den Leiden der Seele, des Geistes und des Leibes. Christus hatte die hohe Aufgabe, sich vor seinem himmlischen Vater und vor den Menschen zu beweisen. Er war allein. Und allein musste er diese schwersten Tage seines Lebens durchkaempfen. Nur erst dann, als sein innerer Kampf im Garten Gethsemane so schwer wurde, dass er niederzubrechen drohte - da erschien ein Engel und staerkte ihn. Da war das Mass dessen, was er zu ertragen vermochte, voll. Und das ihm zugemessene Mass an Leiden war besonders gross, denn es kamen nun zu den seelischen Leiden die Leiden des Leibes, die ihm noch bevorstanden. Doch dies musste sein, denn in diesen Tagen musste unser Herr das Gegengewicht aufbringen fuer die Suenden der Welt. Er musste besonders in diesen letzten Tagen seines irdischen Daseins seinen Glauben und seine Lehre vor den Menschen beweisen. Und er musste die Treue gegenueber seinem himmlischen Vater beweisen. Das alles tat er im Auftrage Gottes. Aber er tat es auch aus seinem freien Willen und aus der Liebe, dieser fuer Menschenbegriffe unfassbar grossen Liebe zu den Menschen. Dieser grossen Liebe, die auch jene nicht ausschloss, die ihn ans Kreuz schlugen. Hier manifestierte sich diese Liebe vor aller Welt. Hier bewies sie sich vor seinen Angehoerigen, vor Freunden, vor Gleichgueltigen, Hassern und Todfeinden. Und hier bewiess sich, dass in diesem Christus die Kraefte und die Macht der himmlischen Liebe maechtig waren wie in noch keinem Menschen zuvor. Alles, was er im Leben getan hatte, war aus Liebe geschehen, und alles, was er angesichts des Kreuzestodes und im Sterben tat, kam aus dieser Liebe. So kaempfte und litt der Heiland um der Liebe willen, die er ueber alle Gesetze stellte. So musste er kaepfen und leiden, um den Menschen zu zeigen, wessen diese Liebe faehig ist. Und - er musste ein Beispiel sein.
Ist jemals von einem Menschen auf dieser Erde ein solches Mass an Glauben und Treue und Selbstverleugnung verlangt worden? Ist es jemals von einem Gotteskind verlangt worden? Vom Herrn wurde es verlangt, weil er der Erstling einer neuen Kreatur war. Weil er im Auftrag Gottes eine geistige Weltenwende herbeifuehren und die Menschen Gott wieder zufuehren sollte, die ihn aber zunaechst ans Kreuz schlugen. Aber am dritten Tage war er auferstanden! Und auch das war geweissagt in den alten Schriften! - - -
Das Volk Gottes mit dem Stammapostel an der Spitze erlebt heute sein Golgatha. Sie werden verspottet um ihres Glaubens willen, und die Menschheit kreuzigt auch heute wieder den Heiland im Geiste. Seine Liebessaat ist nur in den Herzen einer kleinen Herde aufgegangen, hat aber hier allezeit herrlich geblueht und wunderbare Glaubensfruechte gebracht. Auch in dieser kleinen Herde sind Gotteskinder, die unter besonders schweren Verhaeltnissen ihr Glaubensleben fuehren. Aber sie sind die treuesten! Es sind auch unter ihnen welche, die in seelischen Kaempfen liegen um ihres Glaubens willen. Aber sie sollen wissen, dass auch zu ihnen der Engel treten wird, um sie zu staerken, wenn sie darum bitten in jenen Stunden, in denen Satan sie mit Zweifeln bis aufs Blut quaelt. Noch nie war die Lieblosigkeit und die Luege und die Selbstsucht und die Heuchelei unter den Menschen so ausgebreitet wie heute. Und noch nie hat der Widersacher auch unter den Gotteskindern so gewuetet wie in dieser Zeit! Noch nie hat ein Stammapostel so hart kaempfen und ringen muessen um den Bestand und die Bewahrung des Gottesvolks wie unser Stammapostel! Noch nie ist ein Stammapostel so von der Welt und ihren Pharisaeern und Schriftgelehrten angegriffen und verspottet worden wie er! Und wenn ihm unser himmlischer Vater die Kraft nicht gaebe, wenn es nicht die allumfassende Liebe zu allen Gotteskindern waere, die in ihm lebt, dann waere sein und unser Golgatha vergeblich. Wir - a l l e G o t t e s k i n d e r o h n e A u s n a h m e - h a b e n u n s h e u t e i n d i e s e m G o l g a t h a v o r d e r g a n z e n W e l t z u b e w e i s e n. Wir muessen in dieser letzten Zeit unseres irdischen Daseins unseren Glauben im allgemeinen und unseren Glauben im besonderen an die goettliche Offenbarung beweisen und muessen trot aller Widerwaertigkeiten der Welt wachen, beten und handeln. Wir sind als Geistgetaufte Lichtestraeger der goettlichen Liebe in dieser lieblosen Welt und wir muessen das nicht nur unseren Geschwistern und Freunden, sondern auch unsern Hassern und Todfeinden beweisen koennen. Wir koennen es, wenn wir demuetig sind vor Gott, denn wir haben im Heiligen Geist die Kraft dazu empfangen. Diese Kraft ist es auch, die uns demuetig und frohgemut die Botschaft des Stammapostels glauben laesst, dass der Herr in seiner Liebe seinen Auserwaehlten den irdischen Tod ersparen und sie im ueberirdischen Licht der ersten Auferstehung verwandeln wird.
Das alles wird geschehen und es m u s s geschehen um der Erfuellung des Wortes Gottes willen, das er durch den Stammapostel hat verkuenden lassen.
Artikel "Fuer unsere Jugend", Unsere Familie, 15. Jahrgang, Nummer 7, 5. April 1955, Seiten 189-190
Im Jugendgottesdienst in V. ging es recht lebhaft zu. Der Jugendleiter, Priester Schwarz, hatte das Thema "Stammapostelbotschaft" bzw. "Verwandlung" zur Diskussion gestellt.
Immer wieder war der Priester bemueht, in der Jugend bewusstes Interesse an allen Fragen des Glaubenslebens zu werken, damit seine jungen Freunde vor den Gefahren, die die Welt mit ihren vielerlei Angeboten bedeutete, bewahrt bleiben sollten.
Es war nicht ganz leicht, die Schar von fuenfzig Jugendlichen, fuer die er die Verantwortung uebernommen hatte, auf dem rechten Wege zu erhalten. Es galt auf so vielerlei Charaktere einzugehen und gerade auf jene zu achten, die als "Sorgenkinder" bekannt waren. Unter diesem Begriff verstand Priester Schwarz nicht nur die, die gerne mit der Welt liebaeugelten, sondern mehr noch jene, denen die Glaubensfreudigkeit fehlte, die Gruebler und die Traeumer, die sich das Glauben so schwer machten, die meinten, mit ihrem unmuendigen Verstand weiter zu kommen als mit kindlichem Glauben.
Zunaechst hatte er mit folgenden Worten der gespannt lauschenden Schar den Auftakt zur Aussprache gegeben: "Liebe Jugend, es gibt in unsrer Zeit kein Thema, das aktueller ist als gerade die Verwandlung. In dieser Zeit, in der das Wort Jesu: 'Ich werde wiederkommen und Euch zu mir nehmen, auf dass Ihr da seid, wo ich bin!', durch die Stammapostelbotschaft: 'Der Herr Jesus hat mich wissen lassen, dass er zu meiner Lebenszeit kommt', ein solches Mass an Intensitaet angenommen hat, dass das taegliche, ja, stuendliche Bereitsein Lebensnotwendigkeit eines jeden Gotteskindes sein sollte, da muessen wir uns immer mehr mit dem thema 'Verwandlung' auseinandersetzen.
Freilich sollen wir dem Stammapostel zuerst und zumeist g l a u b e n und seine Worte nicht verstandesmaessig zu ergruenden suchen. Aber aus eigenem Erleben und aus vielen Gespraechen mit Euch weiss ich, dass es gerade unter der Jugend Geschwister gibt, die dem bedingungslosen Glauben skeptisch gegenueberstehen. Die Jugend, die eben aus dem Wunderland der Kindheit, in dem das Glauben so selbstverstaendlich ist, herauswuchs, sie draengt nach dem Erkennen, sie kennt noch nicht den Abstand von den Geheimnissen des Lebens, den die Reife des Alters hat und will deshalb keine Geheimnisse gelten lassen.
Eure Fragen, liebe Jugend, die zwangslaeufig bei bewusster Betrachtung der vielen Geheimnisse, die Euch gerade im Glaubensleben umgeben, auftauchen, sollen nicht unbeantwortet bleiben. Der Heilige Geist gibt Euch in den dazu gestellten Bruedern klare Antworten auf diese Fragen und vertieft so Eure Erkenntnis, die zusammen mit dem Glauben so wichtig fuer die Ausreife Eurer Seele ist! Grabt darum in den Tiefen der Erkenntnis zusammen mit mir. Lasst Euch nicht von unausgesprochenen Fragen quaelen, sondern bekennt Eure Anfechtung. Wir wollen dann gemeinsam jedem, dem das Glauben schwerfaellt, der von Zweifeln geplagt wird, der muede wurde oder den die Welt ablenken will, aus der Gefangenschaft der Geister befreien. - So reifen wir zusammen in die rechte Seligkeit von Gotteskindern hinein!"
Impulsiv und mitreissend hatte er sich an die Jugend gewandt. Jedes einzelne verspuerte die tiefe Hirtenliebe, die ihm trieb, alle anvertrauten Schafe auf die fette Weide zu fuehren, sie satt zu machen, sie zu begluecken, ihnen das troestliche Gefuehl der Geborgenheit in Gott zu geben! In solchen Stunden wagte keines auch nur in Gedanken auf gottfremden Pfaden zu gehen, da spuerte jedes den Ernst, der aus jedem Wort, aus jeder Geste, aus jedem Blick zu ihnen sprach. Da gelang es der Geisterwelt von unten nicht, zu zersetzen; es regierte stark und maechtig der Heilige Geist, der den Tempel Gottes, die Seele, von allem Unrat befreite.
Heute umgab Priester Schwarz eine besondere Sorge, die er noch nicht benennen konnte, die er nur in seinem Innern verspuerte, die ihn aber zu ganz besonderer Herzlichkeit in Wort und Blick veranlasste. - - Es musste bei seiner Jugend irgend etwas nicht stimmen, das sagte ihm sein Empfinden. Noch kannte er die Ursache seiner Sorge nicht. Es war aber kein Zufall, dass er dem heutigen Zusammensein gerade die Stammapostelbotschaft voranstellen musste, - das wusste er! Heute war die Jugend nicht mit unbeschwerter Freudigkeit zu saettigen, wie schon so oft, wenn sie in frohem Wettstreit der Saenger unter Mitwirkung aller ihre Freude ausstroemen liessen, um sie nachher nur noch beglueckender zu besitzen.
Zu Beginn der Jugendstunde hatte Priester Schwarz wie immer all seine Sorgen auf den Herrn geworfen, und deshalb war wieder die Ausgeglichenheit - im Bewusstsein der Hilfe von oben - ueber ihn gekommen die ihn eine so wohltuende Ruhe verbreiten liess.
Mit der Frage: "Wer von Euch glaubt denn die Stammapostelbotschaft?", forderte er seine jungen Zuhoerer zur Beteiligung auf. Bei dieser Frage meldeten sich alle ausnahmslos. - Diese Einmuetigkeit freute den treuen Gottesknecht; also war doch das Primaere, die wichtigste aller Voraussetzungen, erfuellt, der Glaube an das Wort des Gottgesandten.
Priester Schwarz wusste aber, dass Zweifel verschiedenster Art dieses Fundament des Glaubens unterminieren konnten. Er war ein kluger Seelenhirte und kannte die Raffinesse Satans, mit der er seine Schlingen auslegte, um sich seine Beute gerade aus dem Schafstall Christi zu holen.
Mit der Aufforderung 'seid klug wie die Schlangen, aber ohne Falsch wie die Tauben', hatte Jesus selbst den Massstab gegeben, mit dem dem Wirken Satans entgegenzutreten war.
Priester Schwarz fragte darum weiter: "Warum glaubt Ihr, was der Stammapostel verkuendigte?"
Nun kamen die verschiedenartigste Antworten, aus denen der Priester die geistige Haltung und das Temperament der einzelnen ersehen konnte. "Wir glauben, weil die Vollendung unser Seelen daran gebunden ist", das war, zusammengefasst, das Wesentliche an den Antworten.
Auch mit dem Ergebnis der zweiten Frage konnte der Jugendleiter zufrieden sein. Schon wollte er seine innerer Unruhe abtun mit dem Gedanken, dass sie vielleicht doch unbegruendet sei; schliesslich ging doch keines der ihm Anvertrauten offensichtlich auf falschem Wege. - Ja, er war Gott in der Tiefe seines Herzens dankbar, dass sie alle - abgesehen von kleinen Jugendstreichen - auf dem Wege des Lebes geblieben waren. Mit diesen Betrachtungen liess sich jedoch seine Unruhe nicht beschwichtigen. Er musste weiter fragen: "Freut Ihr Euch auf die Erfuellung der Stammaostelbotschaft, auf das Erscheinen des Herrn Jesu?"
Jene Einfachen, Treuen, konnen auch die dritte Frage unbeschwert mit 'Ja' beantworten. - Vielleicht war hier und da ein leichtfertiges 'Ja' darunter, dem nicht das tiefinnerliche Bewusstsein zugrunde lag. Diese ganz bewusste innere Haltung war jedoch nicht jedem zu eigen. Es gab Geschwister, die um sie kaempften, und auch dieser Kampf war verschieden, wie die Menschen verschieden waren. So sorgte er sich ganz besonders um sie, auf deren Gesichtern bei dieser dritten Frage sich ein ernsthaftes Ringen spiegelte. Diesen Ringenden musste er beistehen; hier war der Zweifelsgeist, der schlimmste von allem, am Werke! Voller Verstehen wandte er sich an Schwester Burger, eine von jenen grueblerischen Naturen, deren komplizierte Gedankenwelt er kannte, mit der Frage: "Nun, Schwester Burger, lieben Sie des Herrn Erscheinen?"
"Ach, Priester Schwarz, das ist alles so schwer", kam gequaelt die Antwort: "Ja, ich glaube an diese Verheissung so fest, wie ich daran glaube, dass es einen Gott gibt. Ich fuerchte mich davor, an dieser Offenbarung zu zweifeln, genau wie ich Gott fuerchten muesste, wenn ich ihn laesterte. - Wusste ich das W i e der Verwandlung, dann koennte ich mich viellicht eher der Verheissung freuen. - Muss nicht dann, wenn die Einheit: Leib, Seele und Geist, die wir Menschen darstellen, auseinandergerissen wird, wenn also der Leib, der uns am vertrautesten ist, sich aufloest, etwas Schmerzvolles geschehen? Zeigt uns nicht gerade das Beispiel des Erstlings Jesus Christus, dass vor Ostern ein Golgatha notwendig was? Ich habe Angst vor der Verwandlung!
Angst vor der Verwandlung? - Der Priester erschrak. - Das war also die Ursache seiner inneren Unruhe. Bevor er jedoch der Schwester antwortete, wollte er zunaechst feststellen, ob noch andere, aehnliche Zweifelsgeister am Werk waren. Er wandte sich deshalb an die Uebrigen mit der Frage: "Gibt es noch mehr unter Euch, die Angst vor der Verwandlung haben?"
"O, ich habe mehr Angst davor, an der ersten Auferstehung nicht teilhaben zu duerfen", meldete sich nun Schwester Kern, eine temperamentvolle Zwanzigjaehrige. "Wie furchtbar wird es sein, wenn man erkennen muss, dass man umsonst gelaufen ist, umsonst zum Gotteskind wurde, umsonst die Worte des Herrn hoerte, vergebens durch den Heiligen Geist bedient wurde!"
"Ach ich weiss nicht", schaltete sich hier Bruder Weigand ein, einer der Treuen, die keine Probleme im Werke Gottes kannten, einer, der kindlich glaubte! "Warum denn Angst vor der Verwandlung - Angst davor, nicht mitzukommen? Sagt nicht der Stammapostel: 'Wer an meiner Hand bleibt, den bringe ich ans Ziel?' Darauf vertraue ich! Der liebe Gott kennt unsere Unvollkommenheiten. Er will nur unser ehrliches Herz haben, unseren Willen zum Ueberwinden. - Wenn wir zu schwach sind, um vollkommen zu ueberwinden, dann ist doch die goettliche Gnade gross genug, seinen Kindern die Kraft zum letzten Schritt zu geben. - Ueberhaupt verstehe ich nicht, Rita", wandte er sich an Schwester Burger, "wie Du Angst vor der Verwandlung haben kannst. - Dein Vergleich mit Jesus hinkt doch gewaltig. - Hatte Jesus nicht einen ganz, ganz anderen Auftrag als wir? Musste er nicht die Suendenlast der ganzen Menschheit auf sich nehmen? Dieser Auftrag verursachte doch das furchtbare Ringen auf Golgatha! Wir dagegen muessen nur fuer uns selbst einstehen, nur unsere eigene Schwachheit opfern, unsere eigenen Fehler ueberwinden, um das Ostern unsrer Auferstehung feiern zu duerfen!"
"Ja, so denke ich auch", bestaetigte Bruder Kaiser, ein Eiferer in der Jugend, der auch ein brauchbares Werkzeug bei der Weinbergsarbeit war. "Und dann die Vorstellung, dass es schmerzhaft sein muesste, wenn bei der Verwandlung der Leib von Seele und Geist getrennt werden, ist mir ganz unverstaendlich. Jesu sagte: 'Der Tod ist der Suende Sold!' Alle Menschen, die seit Adam und Eva ueber die Erde gingen, mussten deshalb den Tod schmecken, - von den treuen Gottesknechten Henoch und Elias abgesehen. Damit ist doch klar bewiesen, dass die Dreieinheit Leib, Seele und Geist schon seit dem Suendenfall zerrissen ist. Der Tod hat diese Trennung meist in einer sehr schmerzvollen Weise besorgt, mit Schrecken sehen die Menschen diesen trueben Gesellen nahen! - Fuer uns aber, die verwandelt werden, hat der Tod seine Schrecken verloren. Und dann wird bei der Verwandlung die Dreieinheit Leib, Seele und Geist doch nicht getrennt: es geschieht vielmehr etwas Schoenes, Wunderbares! Unser unvollkommener Leib, der hier von mancherlei Schmerzen geplagt wird, der das Werkzeug zur suendigen Tat ist, wird zum Herrlichkeitsleib! - - Kann man denn davor Angst haben?"
"Und wenn man bedenkt, welches furchtbare Geschehen auf alle jene wartet, die auf Erden leben - nach der Heimholung der Brautseelen - dann muss man sich doch freuen auf die Verwandlung? - Ich liebe das Erscheinen des Herrn Jesu!", meldete sich impulsiv die junge Schwester Leiser.
So und aehnlich taten sie alle ihre Meinung kund.
Priester Schwarz war erfreut ueber die Herzenseinstellung der Mehrheit seiner Jugend.
Schwester Burger machte ihm jedoch noch Sorge. Wenn gleich sie bei dem beredten Zeugnis ihrer jungen Mitschwester ihre Gedankenwelt revidieren musste - das verriet der wechselnde Gesichtsausdruck - so war sie doch immer noch nicht restlos ueberzeugt, immer noch nicht von dem Druck befreit, mit dem ihre Seele durch die vielerlei Gedanken, die sich hinter ihrer Stirn abspielten, belastet wurde. Zu viel Problematik liess sie immer wieder in ihre Gedankenwelt eindringen, - das wusste Priester Schwarz aus so manchen Gespraechen mit ihr. Freilich hatte sie auch eine besondere Begabung zur Erkenntnis, wenn sie erst auf den rechten Weg geleitet war. Auch dieser Komplex - die Angst vor der Verwandlung - er wuerde sich in eine neue, grosse Erkenntnis verwandeln lassen.
Priester Schwarz machte darum der Diskussion unter der Jugend ein Ende, indem er wieder das Wort ergiff: "Liebe Jugend, zu Beginn der Stunde habe ich Euch aufgefordert, uns gemeinsam von allen Zweifeln zu befreien. Jeder hat nun in dieser Stunde wirklich dazu beigetragen, neue Klarheit zu gewinnen. Schwester Burger hat uns mit ihrer Frage den Anlass dazu gegeben, unsere ganz persoenliche Einstellung dem Kommen des Herrn gegenueber zu pruefen und zu bekennnen. Es mag noch etliche hier geben, die sich mit diesen und aehnlichen Zweifeln abmuehen. Sie alle, besonders Schwester Burger, sollen aber nicht in der Finsternis, der Nacht des Zweifels verharren muessen. Apostel Paulus hat uns u.a. den Weg zur geistigen Klarheit gezeigt in den Worten: 'Der Mensch richtet alles menschlich, wo aber der Geist ist, da ist Freiheit!'
Der Geist (der goettliche) erforscht alle Dinge, selbst die Tiefen der Gottheit. Er ist der grosse Inspirator. Alles, was jenseits unsres menschlichen Verstandes liegt, muss offenbart und inspiriert werden! Das Wunder der Verwandlung koennen wir nicht mit unserem engen, menschlichen Denken erfassen. Die Worte jenes Dichters, der sagte: 'Wenn ich dieses Wunder fassen will, dann steht m e i n Geist vor Ehrfurcht s t i l l !' muessen uns zum Wegweiser werden. Unser Geist muss stillstehen, aufhoeren zu arbeiten, und an Stelle unsres Geistes muss das Goettliche treten. Darin liegt das Geheimnis! Nur der Gottesgeist laesst uns die jenseitige Welt - und die Verwandlung ist ein Bestandteil von ihr - e r f a s s e n. Wir stehen - obwohl auf der Erde - mitten in der geistigen Welt. Die Erde ist der Erfahrungsbereich, in der wir die Erfahrungen sammeln, die seelischen Kraefte entwickeln, den geistigen Stand erreichen muessen, der uns einen Start in der zukuenftigen Welt ermoeglicht. Die Erste Auferstehung, die Verwandlung, ist nichts als ein Satrt, der Anfang einer weiteren Entwicklung, die in Ewigkeit nimmer aufhoeren wird. Sie ist nur der Abschluss einer Entwicklung auf Erden, und zwar einer Entwicklung, die den hoechstmoeglichen Grad der Vollkommenheit, die ein auf Erden lebender Mensch erreichen kann, in sich birgt!
Durch die Verwandlung werden wir zur Geistes- und Seelenmenschen, zur neuen Kreatur! Gott hat sich uns erwaehlt, um aus uns Werkzeuge zu bereiten, damit allen Menschen geholfen werde. Seht, Ihr Lieben, Gott hat uns aus der Welt abgesondert, uns mit viel Liebe zu seinen Kindern gemacht, uns seither immer wieder unsre Suenden vergeben, unsre Schwachheit in Geduld getragen, uns herrliche Verheissungen gegeben und unsre Seelen zubereiten lassen durch den Heiligen Geist in seinen Knechten. Damit hat Gott in uns ein geistiges Kapital investiert. Und weil Gott auch die Weisheit ist, will er - wie ein guter Kaufmann - dieses Kapital Zinsen tragen lassen. - Glaubt Ihr denn, dass er nicht a l l e s tut, um dieses Kapital zu erhalten - zu vergroessern? Darum braucht keiner Angst zu haben, an der Ersten Auferstehung nicht dabei sein zu duerfen! Jeder, der Gott sein ehrliches Herz entgegenhaelt und in dieser Gesinnung zum Stammapostel und seinen Worten steht, wird an der Verwandlung teilhaben duerfen! Die Angst vor der Verwandlung selbst ist doch schon illusorisch geworden bei dem Gedanken, dass wir durch die voellige Hingabe an den goettlichen Willen auf hoechste geistige Ebenen gefuehrt werden, v o n i n n e n h e r also damit schon die Verwandlung erleben!
Freilich ist die Hingabe des eigenen Willens an den goettlichen Willen bei dem einen schwerer als bei dem andern. Ihr Denker und Gruebler, betrachtet doch mal das Ergebnis der menschlichen Philosophie! - Mit aus Menschengeist geborenen Ansichten haben sie Berge unverrueckbar vor sich aufgerichtet - - der Glaube aber - kann Berge v e r s e t z e n ! - Dieser Glaube, der Berge versetzt, der gibt uns auch die Kraft, unsern Willen zu opfern. Haben wir aber unsern Willen geopfert, dann ist damit die innere Verwandlung, die Verwandlung der Seele verbunden und die koerperliche Verwandlung am Tage des Erscheinens des Herrn Jesu ist dann nur noch der Vollzug dieser Entwicklung.
Dass diese koerperliche Verwandlung, die fuer uns Menschen so unfasslich und mysterioes ist, weil sie die gewohnte Form so ganz und gar sprengt, fuer Gott, den Allmaechtigen nur ein ganz einfacher, selbstverstaendlicher Vorgang ist, das ist uns doch allen klar.
Das grosse Erlebnis, als Gott seinen Sohn verklaerte, faellt mir gerade ein, - es kann uns als Beispiel dienen, welche Wunder die Fuelle des Geistes bewirken kann. Die gleiche Geistesfuelle wird auch unsere koerperliche Huelle an dem grossen Tage der Verheissung sprengen. Zum eigentlichen wissen ueber das 'W i e' unsrer Verwandlung gelangen wir erst nach dem Erleben. Dieses mangelnde Wissen soll aber nur unsre Ehrfurcht vor Gott vergroessern. Demuetig und glaeubig wollen wir diesem grossen Wunder entgegensehen ohne eine Frage des Verstandes! Wenn wir in dieser inneren Haltung ofenbar werden, dann koennen wir uns auf die Verwandlung freuen - dann l i e b e n wir das Erscheinen des Herrn Jesu!"
Schwester Burger hing bei diesen Ausfuehrungen an den Lippen des Priesters. Man sah es ihr an, wie sich der Druck des Zweifels loeste und aus vollem Herzen konnte sie beim Schlussgebet mit dem Priester Gott danken fuer die Fuelle des Lichtes, fuer seine Klarheit, die er ihr in dieser Stunde wieder neu geschenkt hatte.