Amt in der Krise -
zur Abschaffung des Unterdiakonenamtes
in der Neuapostolischen Kirche

Im Juli wurde in den Gebietskirchen der NAK ein Schreiben des Stammapostels verlesen, dass die Abschaffung bzw. Nicht-mehr-Besetzung des Unterdiakonenamtes zum Inhalt hat. Da dieses Schreiben den Mitgliedern (bisher) nicht zugänglich gemacht wurde, wird es im Folgenden abgedruckt und kommentiert.

Rundschreiben an alle Amtsträger und Geschwister betreffend die Neuregelung des Unterdiakonenamtes

Herzlich liebe Brüder und Schwestern in dem Herrn!

In der "Unsere Familie" vom 5. Juni 2001 sind einige Zahlen über unsere Kirche publiziert worden. Wie im Beitrag erwähnt, dienen weltweit rund 265.000 Amtsträger in über 68.000 Gemeinden den Gotteskinder. Priester, Diakone und Unterdiakone machen zusammen über 90 Prozent aller Amtsträger aus. Daraus ist ersichtlich, wie wichtig die individuelle Seelsorge und die Betreuung in den Gemeinden ist.

Mit Verlaub gesagt: Das ist eine Binsenweisheit, die hier an den Anfang des Rundschreibens gesetzt ist. Natürlich gibt es sehr viel mehr katholische Pastoren als katholische Bischöfe oder gar Kardinäle, natürlich gibt es mehr evangelische Pfarrer als Superintendenten oder Bischöfe und natürlich gibt es mehr Diakone und Priester als Apostel in der NAK. Und natürlich hat das damit zu tun, dass die Seelsorge auf der Gemeindeebene sichergestellt werden soll.

Darüber hinaus hat die Wichtigkeit der "individuellen Seelsorge" mit der Abschaffung des Unterdiakonenamtes nichts zu tun. Im Gegenteil! Seelsorge wäre sicherlich noch besser gewährleistet, wenn eine weitere Differenzierung der Seelsorge-Ämter vorgenommen würde (z.B. - wie in der Katholisch-apostolischen Gemeinde (KAG) üblich - die Einsetzung von Diakonissen)!

Bei der Aufarbeitung des Zahlenmaterials wurde festgestellt, dass das Unterdiakonen- und Diakonenamt in den einzelnen Gebietskirchen aufgrund historischer Entwicklungen unterschiedlich vertreten ist.

Das fällt erst jetzt auf? Da müßte man die Kritiker, die Zahlen, Daten und Fakten schon seit jeher einfordern, ja noch nachträglich umarmen, wenn erst durch diesen Anstoß gravierende Unterschiede im Amtsverständnis der Gebietskirchen deutlich geworden sind. Und ist es nicht die Aufgabe des Stammapostels, für eine einheitliche (!) Ausbreitung des "Werks des Herrn" zu sorgen? Schon der verstorbene Bezirksapostel Bischoff soll zu seiner Zeit nur Diakone ins Amt gesetzt haben, weil ihm der Unterschied zwischen Diakonen- und Unterdiakonenamt partout nicht einleuchten wollte. Sollte dies den verschiedenen Stammaposteln bislang wirklich nicht aufgefallen sein?

Obschon es zwei Amtsstufen sind, hat sich manchenorts im Laufe der Zeit die Aufgabenstellung angeglichen.

Diese vermeintliche Angleichung setzt voraus, dass es in früheren Zeiten klare Unterschiede in der Aufgabenzuteilung gegeben hat. Das ist aber nachweislich so klar nie der Fall gewesen (vgl. dazu die Vorläufer der "Fragen und Antworten"). Die Aufgaben waren von Beginn an nie genau unterschieden worden. Es hat also zu allen Zeiten der NAK-Geschichte immer auch Überschneidungen in der Aufgabenverteilung zwischen Diakonen und Unterdiakonen gegeben!

Ein historischer Rückblick auf die KAG sei gestattet. Sie kannten die sog. "diakonischen Hilfsämter", zu denen u.a. die Unterdiakone, die Diakonissen und die Türhüter gezählt wurden. Das Unterdiakonenamt ist in der KAG so begründet worden: "In den prophetischen Aufschlüssen über die Stiftshütte ... wurden die Bretter von anderthalb Ellen Breite auf die Ältesten mit ihren Gehilfen bezogen, indem die halbe Elle das Gehilfenamt bezeichnet; die beiden Zapfen dagegen wurden auf den Diakon und den Unterdiakon gedeutet, welche mit dem Ältesten verbunden sind (2. Mos. 26, 15-17)." (L. Albrecht: Abhandlungen über die Kirche, S. 107).

Mit der Abschaffung des Unterdiakonenamtes verabschiedet sich die NAK wieder ein Stück mehr von ihrem katholisch-apostolischen Erbe...

Darüber habe ich mir eingehend Gedanken gemacht und die Angelegenheit in meinem Herzen bewegt.

Wenn sich ein Stammapostel Gedanken macht, darf man davon ausgehen, dass er die einschlägigen Bibelverse zum Thema gelesen hat? Zum Beispiel diese:

"In diesen Tagen, als die Zahl der Jünger zunahm, begehrten die Hellenisten gegen die Hebräer auf, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden. Da riefen die Zwölf die ganze Schar der Jünger zusammen und erklärten: Es ist nicht recht, daß wir Gottes Wort vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tisch widmen. Brüder, wählt aus eurer Mitte sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit, ihnen werden wir diese Aufgabe übertragen. Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben. Der Vorschlag fand den Beifall der ganzen Gemeinde, und sie wählten Stephanus, einen Mann, erfüllt vom Glauben und vom Heiligen Geist, ferner Philippus und Prochorus, Nikanor und Timon, Permenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia. Sie ließen sie vor die Apostel hintreten, und diese beteten und legten ihnen die Hände auf." (Apostelgeschichte 6, 1-6)

Da rufen doch tatsächlich die Apostel Jesu die Gemeinde auf, Diakone zu WÄHLEN - ob das dem Stammapostel entgangen ist? Was mag sich beim Lesen dieser Verse in seinem Herzen bewegt haben? Allem Anschein nichts. Was hätte er aber bei der Lektüre lernen können? Dass - biblisch gesehen - Diakone schon von Beginn der christlichen Zeitrechnung an GEWÄHLT wurden und keinesfalls - wie in der NAK allgemeiner Usus - von Aposteln "erwählt" sind. Diese Aufgabe kam jedenfalls den Gemeinden selbst zu. Wie lange mag es dauern, bis Fehr auch dies "in seinem Herzen bewegt"?

Darauf wurde das Thema an einer Bezirksapostelversammlung erörtert, und es wurde beschlossen, dass ab dem 1. Januar 2002 weltweit keine Unterdiakone mehr ordiniert werden.

Seit wann ist die Frage nach Einführung, Abschaffung oder Außerkraftsetzung eines Amtes eine Frage von Mehrheitsbeschlüssen? Die Bedeutung dieser Vorgehensweise mache man sich klar: Es geht also nicht mehr um die Verwirklichung eines "vollkommenen Amtskörpers", der zur Vorbereitung der Brautgemeinde nötig wäre, sondern um mehr oder weniger plausible Vereinheitlichungen in den Gebietskirchen. Dies liegt auf einer Linie mit der Vorgehensweisen bei der Abschaffung des Prophetenamtes und der Lehre vom vierfachen Amt. Ein Stammapostel macht ein solches Thema zur "Chefsache" und dann wird das durch die Bezirksapostelversammlung (BAV) abgesegnet, wirkt so der Heilige Geist?

Das Amt ist nicht aufgehoben, wird aber in der Zukunft nicht mehr neu besetzt.

Mit dieser Regelung kommt man renitenten Unterdiakonen zuvor. Denn es ist ja nicht auszuschließen, dass Unterdiakone (die man zur Abstrafung selbst in fortgeschrittenem Alter nie zu Diakonen befördert hat) sich einer Zwangsordinierung zum Diakon verweigern würden - gleichsam als Reaktion darauf, dass man sie jahre- oder gar jahrzehntelang bei der Beförderung übergangen hat. Keiner behaupte, solche Fälle gäbe es nicht. Man schaue sich einmal in seinem eigenen Bezirk sehr sorgfältig um. In vielen Bezirken war es ein beliebtes Sanktionsmittel, unbotmäßigen Amtsträgern, die nach ihrer Erstordination zum UD immer noch frank und frei ihre nicht kirchenkonformen Ansichten äußerten, durch Nichtbeförderung abzustrafen.

Dies ist aber keine Schwächung des Amtskörpers, sondern im Gegenteil eine Stärkung, da Brüder, die ins Amt kommen, direkt als Diakone eingesetzt werden.

Folgt man diesem Scheinargument, dann könnte man doch gleich alle Amtsträger zu Evangelisten ordinieren, ja am besten gleich samt und sonders zu Aposteln, eine bessere "Stärkung" des Amtskörpers wäre nach dieser stammapostolischen Logik doch kaum denkbar.

Wir wollen uns immer bewusst sein, dass bei Gott nicht primär das Amt sondern die Herzenseinstellung zählt.

Auch dieser Gedanke erscheint völlig zusammenhangslos. Was hat das mit der Abschaffung des UD-Amtes zu tun? Folgt man diesem Gedanken, dass es nicht auf das Amt, sondern auf die Herzenseinstellung ankommt, dann hätte man doch wohl das UD-Amt bestehen lassen können, ganz gleich, ob es hier oder da ein wenig anders akzentuiert wird.

Auch die Aufgaben anderer Ämter sind in verschiedenen Gebietskirchen unterschiedlich gewichtet. So dürften die Aufgaben des kanadischen Bezirksapostels kaum identisch sein mit denen eines Bezirksapostels in einem "Mini-Bezirk" Deutschlands. Hat man deshalb das Bezirksapostelamt abgeschafft? Nein! Man hat das zusätzliche Amt eines Bezirksapostelhelfers geschaffen.

Das Apostelamt ist also immer weiter ausdifferenziert worden, man kennt in der Zwischenzeit fünf Apostelämter (Stammapostel, Stammapostelhelfer, Bezirksapostel, Bezirksapostelhelfer und Apostel). Mit dem "Senior-Bezirksapostel" (Wagner) scheint sich sogar eine sechste Apostelamtsstufe zu etablieren. Und man beachte: Keinesfalls geht es hierbei lediglich um verschiedene Aufgaben eines (!) Amtes, sondern um fünf bzw. sechs verschiedene Ämter. Während man also die Apostelämter immer weiter aufsplittet, streicht man die nichtpriesterlichen Ämter zusammen - wo liegt da die innere Logik?

Für jedes Gotteskind soll die Losung sein: "Herr, mein Leben es sei dein, lass dir's ganz geheiligt sein!" (Lied 245). Wohl uns, wenn der Herr bei seinem Kommen zu jedem sagen kann: ,... du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; gehe hinein zu deines Herrn Freude!' (Matthäus 25, 21).

Auch hier fehlt der innere Bezug zum Anlaß dieses Schreibens. War nicht oben davon die Rede, dass es sich nicht um "weniger" sondern um "mehr" - nämlich eine "Stärkung des Amtskörpers" - handelt? Wozu also dieser salbungsvolle Schluß?

In diesem Sinn wünsche ich Euch ein freudiges Wirken, im Einssein und im Aufschauen und grüße euch herzlich,

euer gez. R. Fehr

Kommen wir zum Kern dieser Neuregelung! Das sich durch mangelnde Kohärenz auszeichnende Schreiben Fehrs macht deutlich, dass die wahren Beweggründe für die Abschaffung des Unterdiakonenamtes nicht mitgeteilt werden. Warum nicht? Weil es eine Maßnahme ist, mit der man auf ein kircheninternes Problem reagieren will, das deutlich anzusprechen offensichtlich dem Präsidenten der NAKI und einigen seiner Bezirkspräsidenten Mühe macht.

Nicht nur die Mitgliederzahlen und die Opfergelder gehen zurück, nein, auch die Bereitschaft, sich ein Amt in der NAK aufhalsen zu lassen, läßt nach! Wer von den jungen und "fitten" Mitgliedern männlichen Geschlechts hat schon Lust, sich auf eine solche, bis zur Rente andauernde Lebensaufgabe festnageln zu lassen? Und dann ist da noch die völlig unzeitgemäße hierarchische Ordnung, der man sich im "Amtskörper der NAK" zu fügen hat: Befehl und Gehorsam, oder auf gut neuapostolisch: Nachfolge bis Zuletzt. "Nein, danke!" werden da viele junge neuapostolische Brüder sagen.

Durch die Abschaffung des Unterdiakonenamtes erhofft sich die Kirchenleitung nun eine Aufwertung des Diakonenamtes. Das Unterdiakonenamt war bisher der Einstieg in die neuapostolische Ämterpyramide, nun ist es das Diakonenamt. Ob sich die Hoffnung der Kirchenleitung auf Steigerung der Attraktivität eines kirchlichen Amtes durch diese Maßnahme erfüllen wird, sei dahingestellt.

WAZ, August 2001

 

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