Karl-Eugen Siegel
DIE
BOTSCHAFT
des J.G. Bischoff
Theologie: Neuapostolische Kirche
Eine kritische Auseinandersetzung mit einer der Endzeitbotschaften.
(Umschlagseite)
Lachesis
Ethik-Medizin-Theologie
Die Botschaft des J.G. Bischoff
Theologische Hefte
Neuapostolische Kirche, Heft 1
-1-
Karl-Eugen Siegel
DIE
BOTSCHAFT
DES J G. BISCHOFF
Eine kritische Auseinandersetzung
mit einer der Endzeitbotschaften.
Lachesis
-3-
Siegel, Karl-Eugen
Die Botschaft des J.G. Bischoff
Karl-Eugen Siegel.
1. Aufl.-Stuttgart: Verlag Lachesis, 1994
(Reihe: "Theologie: Neuapostolische Kirche", Heft 1)
-4-
INHALT
Inhalt 5
Einleitung 6
Inhalt der Botschaft von Stammapostel Bischoff 9
Verheißungen 12
Geschehnisse in der Zeit der Botschaft 13
Die Verheißung ist nicht eingetreten 18
Die Zeit nach dem Tod von Stammapostel Bischoff 18
Entstehung der Botschaft 21
War die Botschaft das Resultat eines Machtkampfes um das
höchste Amt der Neuapostolischen Kirche? 26
Resüme 31
Namensverzeichnis 32
Literaturverzeichnis 32
-5-
EINLEITUNG
Das Oberhaupt der Neuapostolischen Kirche, Stammapostel Johann Gottfried Bischoff (*2.1.1871 +6.7.1960) verkündigte an Weihnachten 1951 in einem Festgottesdienst in Gießen (Hessen), daß die Wiederkunft Jesu Christi noch zu seiner Lebzeit eintreten wird. Selbst nach über dreißig Jahren ist dieses Thema für neuapostolische Christen sehr heikel, denn es greift tief in die Grundlagen ihres Glaubens ein. Hierbei spielt vor allem die hierarchische Ämterstruktur mit der autoritären und zentralistischen Führung durch den jeweiligen Stammapostel eine sehr gewichtige Rolle.
Im neuapostolischen Katechismus wird dies in der Frage 226 wie folgt ausgedrückt:
"Der Stammapostel ist als das sichtbare Haupt der Kirche in allen Angelegenheiten oberste Instanz."
Dies ist nicht nur im verfassungsrechtlichen, sondern vor allem im geistigen Sinne der Fall.
So heißt es weiter:
"Da er von allen Mitgliedern der Neuapostolischen Kirche als der Repräsentant des Herrn auf der Erde angesehen wird und er sich selbst stets als Gehilfe des Glaubens seiner Brüder und Geschwister weiß, ist in seiner einzigartigen Stellung kein Keim autoritärer Herrschaft über die Kirche zu sehen, so wenig wie aus Christi oder seiner Apostel Stellung eine solche Absicht hergeleitet werden kann." 1
Welche Auswirkungen diese Stellung des Stammapostels in der Praxis hat, soll anhand einiger Zitate beleuchtet werden, die den innerkirchlichen Umgang mit Kritik aufzeigen.
So wird in den Fragen und Antworten aus dem Jahre 1938 die Machtstellung des Stammapostels noch ganz offen wie folgt beschrieben:
"Aufgabe des 'Stammapostels', wie wir ihn nennen ist: die von Jesus befohlene, gewünschte und erbetene Einheit (Joh. 15; 17;
----------------------------------
1 J.G. Bischoff. "Fragen und Antworten", Frankfurt a.M. 1968, Frage 226
-6-
20, 21) innerhalb der Apostelschar zu schaffen und für immer zu erhalten; ein kraftvolles Zeugnis von dem ewig in Christi und Gottes Reich geltenden Grundsatz der Autorität Ausdruck und Macht zu verleihen. Außerdem hat er die Aussonderung (Ordination/ AdV) der zu Mitaposteln bestimmten Amtsträger vorzunehmen und die Lehre Christi und neue Geistesoffenbarungen (Joh. 16, 12.13) zu fördern, kundzumachen und zu überwachen, sowie für die Ausbreitung des Evangeliums in einheitlicher Weise Sorge zu tragen. Er ist in allem das Haupt der Apostel und damit oberster Leiter und Seelenhirte der gesamten Neuapostolischen Gemeinden." 2
Wird die "gewünschte und erbetene Einheit" innerhalb des Apostelkollegiums durch Kritik gefährdet, so ist es gängige Praxis, daß der Stammapostel durch das Mittel der Exkommunikation die Einheit wieder herstellt. Daß davon nicht nur die Apostel, sondern auch mit ihnen ihre Gemeinden betroffen waren, zeigen folgende Beispiele:
1946 |
Lambertus Slok |
Holland |
26.000 Mitglieder |
1948 |
Herbert Schmidt |
Saarland |
2.000 Mitglieder |
1951 |
Otto und Ernst Güttinger |
Schweiz |
1.500 Mitglieder |
1954 |
H.F. Schlapphoff Smuts Malan Ph. J. Erasmus |
Südafrika |
30.000 Mitglieder |
1955 |
Peter Kuhlen |
Düsseldorf |
12.000 Mitglieder |
Diese Machtposition des jeweiligen Stammapostels und der damit verbundene bedingungslose Gehorsam ist auch in den Statuten des internationalen Apostelbundes festgeschrieben, wo es heißt:
"Neu zu ordinierende Apostel sind vor ihrer in einem Gottesdienst durchzuführende Einsetzung durch Abgabe des Gelöbnisses dem Stammapostel oder seinem Beauftragten gegenüber feierlich zu verpflichten:
"Vor Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, gelobe ich, dem Stammapostel im Gehorsam des Glaubens zu folgen und
----------------------------------
2 Apostelkollegium, "Fragen und Antworten", o.O., 1938,
3 Diese Beispiele sollen nur exemplarisch für mindestens 30 mittlere und größere Ausschlüsse innerhalb der 100jährigen Geschichte der Neuapostolischen Kirche stehen.
-7-
den von ihm erhaltenen Auftrag sorgfältig und gewissenhaft auszuführen ..." 4
Bei den einfachen Gemeindemitgliedern wird Kritik zunächst mit psychologisch-religiösen Mitteln bekämpft, wie dies Stammapostel Fehr 1991 ganz deutlich aussprach:
"Geschwister, das Wort 'Kritik' kommt nicht ein einziges Mal in der Heiligen Schrift vor! Ich habe in einigen Konkordanzen nachgeschaut: Das Wort 'Kritik' steht nirgends in der Bibel. Also hat es bei uns im Werk Gottes auch nichts zu suchen." 5
Auch die geistige Sonderstellung des Stammapostels fließt ständig in die gottesdienstliche Lehre mit ein. Diese Sonderstellung wird mit seiner Vollkommenheit (in katholischen Kreisen ist dies unter dem Begriff Unfehlbarkeit des Papstes bekannt) mitbegründet, wie dies Apostel Schwarzer wie folgt ausspricht:
"Ihr Lieben, das erfüllt unsere Herzen mit besonderer Dankbarkeit daß wir zu Füßen unseres Stammapostels sitzen dürfen. Ich habe es schon erwähnt: der Stammapostel und seine Vollkommenheit besteht für uns einfach darin, daß er in den Gottesdiensten mit seinem Wort die Lämmer als die Kleinen, die Geringsten, die Jüngsten kann ansprechen und selig machen und er ist zur gleichen Zeit auch am nächsten zum Sohne Gottes." 6
Noch eindrucksvoller beschreibt es Bezirksapostel Saur in einem Ämtergottesdienst mit Frauen 1985 in Rüsselsheim:
"Unser Bezirksapostel Rockenfelder hat den Artikel geschrieben. Ich will aus seinen wertvollen Gedanken einiges auszugsweise vorlesen:
"Der Geist des Herrn hat uns in die Erkenntnis geleitet, daß es nur e i n e Person sein kann und darf, die dem Hausherrn gegenüber die volle Verantwortung trägt und dem alle anderen Amtsträger in ihrer gesetzlichen Ordnung verantwortlich sind und den Gehorsam des
----------------------------------
4 NAK Internationaler Apostelbund, Zürich 1977, S. 4, 5
5 Unsere Familie, Gottesdienst in Aarau, 51. Jahrgang, Nr. 12, 20. Juni 1991, S. 7
6 Apostel Schwarzer: Kurzbericht aber den Gottesdienst vom 12.05.85 gehalten von Stammapostel Urwyler in Sindelfingen, S. 10
-8-
Glaubens erweisen müssen, wenn Gottes Segen auf ihrer Arbeit ruhen soll. Diese Person ist einzig und allein der Stammapostel. Er ist die Quelle, aus der das Wasser des Lebens hervorgeht und sich in das Strombett der Apostel ergießt, von da aus es sich dann in die weiteren Nebenströme verteilt"
und dann schrieb unser Bezirksapostel damals weiter:
"Eine Lehre, die nicht mit der Lehre des Stammapostels einig geht, stammt von einem anderen Geist und braucht nicht befolgt zu werden, denn sie führt nicht zur Einheit und Vollendung, sondern sie zerstört und führt ins Verderben."
Deshalb, ihr lieben Brüder und Schwestern, sind wir so glücklich, daß wir freudig und dankbar das Gebot der Nachfolge erfüllen können. Wir schauen gläubig zu unserem Stammapostel auf und folgen ihm, dem Elieser unserer Tage, bedingungslos mit kindlich gläubigen Herzen und Seelen nach. Wir wollen rechte Nachfolger sein." 7
Diese kurze Vorbemerkung über die besondere Stellung des Stammapostels ist notwendig um die Problematik "der Botschaft" überhaupt verstehen zu können.
INHALT DER BOTSCHAFT VON
STAMMAPOSTEL BISCHOFF
Am Weihnachtsfest 1951 verkündete Stammapostel Bischoff in Gießen, daß die Vollendung der Brautseelen 8 und die Wiederkunft des Sohnes Gottes zu seiner Lebzeit erfolgen wird. Wörtlich lautete seine Botschaft damals wie folgt:
"Für mich steht sicher, daß, wie angeführt, die Zeit der Zubereitung des königlichen Priestertums unter meiner Hand vollendet wird und daß die Reichsgottesarbeit im Weinberg des Herrn mit meinem Ende auch ihr Ende erreicht." 9
----------------------------------
7 Apostel Sauer; Gottesdienst für alle Ämter und Frauen des Apostel-Bezirkes Wiesbaden, 6.10.83, Rüsselsheim, S.5
8 das sind die "treuen* Mitglieder der Neuapostolischen Kirche.
9 J.G. Bischoff: Gottesdienst vom 24.12.1951 Gießen, S.5
-9-
und
"Ich bin der Letzte und nach mir kommt keiner mehr. So steht es im Ratschluß unseres Gottes, so ist es festgelegt und so wird es der Herr bestätigen. Und zum Zeichen sollt ihr das haben, daß der Herr zu meiner Zeit kommt, um die Seinen zu sich zu nehmen." 10
Diese Endzeitbotschaft von Stammapostel Bischoff war nicht die erste, die die Christenheit vernahm. Solche zeitlich fixierten, z.T. auch `berechneten' Wiederkunftserwartungen gab es fast in allen Zeitepochen. Doch sollte man meinen, daß die Fehlschläge solcher Endzeitbotschaften uns Menschen vor weiteren Äußerungen und Spekulationen heilen müßten. Auch spricht sich die Heilige Schrift diesbezüglich ganz deutlich gegen eine wie auch immer geartete Berechnung oder Fixierung des Kommens Jesus aus:
"Er (Jesus) sprach zu ihnen: Es gebührt euch nicht, zu wissen Zeit oder Stunde, welche der Vater seiner Macht vorbehalten hat;" 11
und
"Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel nicht im Himmel, sondern allein mein Vater." 12
Stammapostel Bischoff selbst wandte sich noch 1932 gegen solche Voraussagen. Höchstwahrscheinlich bezog er sich hierbei auf die mißlungenen Berechnungen der 'Zeugen Jehovas', die ja für die Jahre 1914, 1922 und zuletzt dann für 1926 das Erscheinen Jesu terminierten. So schrieb der Stammapostel in dem Artikel "Steiget herauf" im Jahre 1932 folgendes:
"Nun wollen wir aber nicht in den Fehler vieler gottesdiensttreibender Geister verfallen, uns damit zu beschäftigen, wann diese Zeit sein wird. Obgleich der Herr Jesu laut Apostelgeschichte 1,7 sagte: 'Es gebühret euch nicht zu wissen Zeit oder Stunde, welche der Vater seiner Macht vorbehalten hat, suchen dennoch viele in ihrer Vermessenheit
----------------------------------
10 J.G. Bischoff: Gottesdienst vom 24.12.1951 Gießen, S. 6
11 Apg. 1; 7
12 Matth. 24; 36
-10-
Tag und Stunde der Wiederkunft Christi festzulegen. Alle, die sich damit befaßt haben, mußten bis jetzt eine schmähliche Enttäuschung erleben. Für die Kinder Gottes ist es nicht Hauptsache, zu wissen, wann der Herr kommt, sondern viel wertvoller ist es, daß wir Christo angehören, wenn er kommen wird, und daß wir zu denen zählen, welche die große Stimme vom Himmel hören dürfen: Steiget herauf!" 13
Diese 'schmählichen Enttäuschungen' suchte man jedoch nur bei den anderen und nicht innerhalb der eigenen Kirchenmauern. Ansonsten wäre man sehr rasch darauf gekommen, daß es innerhalb der NAK bereits solche Tendenzen gegeben hat. Sowohl Apostel Friedrich Wilhelm Schwarz (*11.4.1815; +6.12.1895) als auch Stammapostel Friedrich Krebs (*30.7.1832; +20.1.1905) mußten sich bereits mit solchen Endzeitoffenbarungen auseinandersetzen.
So heißt es im Nachwort des von Apostel Schwarz verfaßten und von Dr. Groenewegen redigierten Buches "Das Buch für unsere Zeit" :
"Ist die dem Apostel F.W. Schwarz gegebene Verheißung, daß er den Tag der Erscheinung Christi erleben solle, wahrhaftig aus Gott, dann kann in Rücksicht auf sein Alter die Erscheinung des Herrn innerhalb 10-25 Jahren höchstens und also noch in diesem Jahrhundert erwartet werden" 14
Bei der Abfassung seines "geistigen Testaments" spricht Apostel F. W. Schwarz diese Botschaft ganz deutlich an, indem er schreibt, daß er
"durch Weissagungen und Gesichte viele Gelübde von Gott dem Herrn empfangen hat, daß ich nicht sterben, sondern leben werde, bis zur persönlichen Wiederkunft des Herrn bleiben werde, Juda ihm entgegenzuführen." 15
Und über die Botschaft von Stammapostel Krebs liegt folgender Bericht vor:
----------------------------------
13 o.V.: Wächterstimme aus Zion, Frankfurt a.M. 1932, Nr.9 1.Mai 1932 14 F.W. Schwarz: "Das Buch für unsere Zeit", o.O. 1872, Band II, S. 88 und 89 (A)
15 F.W. Schwarz: "Das Testament von Apostel F.W. Schwarz", Amsterdam 1975, S. 1 (A)
-11-
"In neuerer Zeit ging unter den Mitgliedern der apostolischen Gemeinde geheimnisvoll die Rede, eine Weissagung wäre gekommen, die sage, daß der Herr wiederkommen werde, solange Krebs lebe. " 16
und ein älterer Bruder, der
"siebzehn Jahre alt war und im Jahre 1905 (dem Sterbejahr von Stammapostel Krebs/ AdV) alles mit durchlebte, berichtet über jene Vorgänge wie folgt: Die Geschwister seien zusammengekommen und hätten jeden Tag Gottesdienst gehabt, sie hätten gebetet und Gutes getan, wo sie nur konnten, die Gottesdienste seien auch entsprechend gewesen und dergleichen mehr. Er schrieb wörtlich: 'Wir waren schon mehr drüben als hier!´" 17
VERHEIßUNGEN
Die neuapostolische Auffassung über göttliche Verheißungen beschreibt der Bezirksapostel G. Rockenfelder in der 1983 vom Internationalen Apostelbund herausgegebenen Werbebroschüre "Göttliche Verheißungen und ihre Erfüllung" sehr deutlich als:
"teure Versprechungen und bindende Zusagen, auf die unbedingter Verlaß ist. Wir lesen im 4. Buch Mose und in den Psalmen:
'Gott ist nicht ein Mensch, daß er lüge, noch ein Menschenkind, daß ihn etwas gereue. Sollte er etwas sagen und nicht tun? Sollte er etwas reden und nicht halten?' (4. Mose 23,19).
Denn des Herrn Wort ist wahrhaftig; und was er zusagt, das hält er gewiß' (Psalm 33,4).
Mit seinen Verheißungen offenbart Gott seine unbegreifliche Liebe und Huld den Menschen, der Krone der Schöpfung. Denn er will allen helfen, sie retten und ewig glücklich machen.
----------------------------------
16 Karl Handmann: "Die Neu = Irvingianer oder die Apostolische Gemeinde", Gütersloh 1907, S. 88 (N)
17 Wächterstimme, 15. Juli 1952, Nr. 14, S. 109
18 Internationaler Apostelbund: "Göttliche Verheißungen und ihre Erfüllung", Zürich 1983, S. 12
-12-
Diese Auffassung teilte auch Stammapostel Bischoff in einem Gottesdienst in Reutlingen, wo er unter anderem folgendes ausführte:
"Wir dürfen doch nicht glauben, daß der liebe Gott einen solchen Fehler machen würde und würde seinem Volke eine Zusage geben, die sich nie erfüllen würde". 19
Diese Aussagen lassen nach Auffassung der Neuapostolischen Kirche nur eine Schlußfolgerung zu, daß, wenn es sich um eine göttliche Zusage handelt, diese gesetzmäßig, ja zwangsweise eintreten muß. Ein Nichteintreten der Botschaft ließe in diesem Sinne nur den Schluß zu, daß es sich nicht um eine göttliche, sondern um eine menschliche Voraussage gehandelt haben müsse. Diese kompromißlose Auffassung läßt jedoch alle Begleitumstände und sonstige Hintergründe der Entstehung der Botschaft des J.G. Bischoff unberücksichtigt. Daher ist zunächst abzuklären, wie sie sich auf das Gemeindewesen auswirkte, welche Konsequenzen sich für die Kirche und den Glauben der Gemeinden nach der Nichterfüllung der Botschaft ergaben und letztendlich, wie es zur Entstehung dieser Botschaft kam.
GESCEHNISSE IN DER ZEIT DER BOTSCHAFT
War am Anfang der Botschaft (1951) noch jedem Mitglied der Glaube an dieselbe frei gestanden:
"Ich erwarte den Herrn täglich und ich glaube bestimmt und positiv, daß der Herr zu meiner Lebzeit kommt. Davon gehe ich auch noch nicht einen Finger breit ab. Wie viele diesen meinen Glauben zu ihrem Glauben und meine Hoffnung zu ihrer Hoffnung machen, das ist natürlich die Angelegenheit jedes einzelnen. Denn Glaube, Liebe und Hoffnung können nicht befohlen werden." 20
so wurde die Botschaft des Stammapostels in den weiteren Jahren immer mehr zum Dogma erhoben. Dies natürlich um so stärker, je mehr sich Stimmen, selbst unter den Aposteln, gegen die Botschaft äußerten.
----------------------------------
19 o.V.: Sonderdruck Materialdienst, Stuttgart o.J., S. 35 (N)
20 J.G. Bischoff : Ämterdienst Anfang 1952 in Frankfurt a.M., in: Amtsblatt Sondernummer 8.6.1952, Frankfurt a.M. 1952, S. 15
-13-
So polemisierte Stammapostel Bischoff am Ende eines Gottesdienstes über den Glauben an die Botschaft:
"Die ganze Glaubensangelegenheit hat sich soweit zugespitzt, daß nur noch zwei Parteien dastehen: die einen warten auf meinen Tod und die anderen, daß wir überkleidet werden! Nun müßt ihr euch entscheiden, zu welcher Klasse ihr gehört!" 21
Diese Klassifizierung gipfelte schlußendlich in der Aussage: Wer der Botschaft nicht bedingungslos glaubt, ihr widerspricht, sie als menschlich oder gar teuflisch abtut, der begeht die Sünde wider den Heiligen Geist. In diesem Sinne schrieb Stammapostel Bischoff auf die Frage: Was ist die Sünde wider den Heiligen Geist?
"Die Sünde wider den Heiligen Geist ist geistiger Selbstmord. Aus diesem Tod gibt es keine Erlösung, weder hier noch im Jenseits."
"Wer heute die Lehre der Apostel des Herrn und die Arbeit des Geistes Christi an den unsterblichen Seelen verlästert und als teuflisch bezeichnen würde, hätte damit die Sünde wider den Heiligen Geist begangen." 22
So ist kein Ausweichen mehr möglich, der Kreis des 'glauben müssens' ist geschlossen, es gibt kein Entrinnen mehr. Denn welches Mitglied möchte diese schwerste aller Sünden begehen?
Trotz dieser Androhung gab es manches neuapostolische Mitglied, das sich kritisch mit der Botschaft auseinandersetzte. In einzelnen Bezirken gab es recht bald zwei Parteien, "Botschaftsreiter" und "Botschaftsgegner". Aus persönlichen Gesprächen mit Geschwister, die diese Zeit im Stuttgarter Bereich erlebten, wurde mir erzählt, daß die Treue eines dienenden Amtsträgers daran gemessen wurde, wie oft er die Botschaft im Laufe eines Gottesdienstes erwähnte. Man mied sich gegenseitig, ja, die beiden Parteien gingen vorzugsweise nur dort in den Gottesdienst, wo ´ihre Gesinnung` gepredigt wurde. Dieser Separatismus ging so weit, daß Ämter (incl. Apostel) ihres Amtes enthoben und
----------------------------------
21 J.G. Bischoff. Ämterdienst in Düsseldorf 18.03.1956, S. 10
22 J.G. Bischoff: "Der Stammapostel schreibt", in Amtsblatt 13.10.1952, Frankfurt a.M. 1952,S.155f
-14-
exkommuniziert wurden, wenn sie nicht die Botschaft des Stammapostels verkündigten oder gar Zweifel daran äußerten. 23
Zuweilen kam es sogar zu einer offenen Empörung, wie dies durch ein Mitglied geschildert wurde:
"Wie von einer gewaltigen, unsichtbaren Hand dirigiert, erhob sich die ganze Gemeinde wie ein Mann und strebte dem Ausgang zu, so, als wäre der Gottesdienst beendet!
Der hinter dem Altar stehende ungetreue Knecht rief: 'Ihr habt einen Apostel Jesu nicht aufgenommen´-worauf sich eine Schwester umwandte und sagte: 'Sie sind kein Apostel Jesu, denn Sie haben Ihren Sender, den Stammapostel, verraten und glauben seiner Botschaft nicht!'" 21
Diese sogenannten "Gegner", vormals als "treue Boten Gottes" bezeichnet, waren z.T. einziges Thema in den Gottesdiensten. Der Stammapostel Bischoff und die ihm treu ergebenen Apostel und Amtsträger verdammten ihre "Gegner" und versuchten den Stammapostel und seine Botschaft immer mehr in der Lehre der Neuapostolischen Kirche hervorzuheben. Dies steigerte sich dahingehend, daß zu der Botschaft noch eine verstärkte Verherrlichung des Stammapostels hinzu kam;
"... und damit das Wort (Botschaft/ AdV) dessen krönen wird, den als Größten, nebst Jesus, die Erde je getragen hat." 25
"Der Sohn Gottes sitzt zur Rechten seines Vaters, ist aber heute in seinem ersten Knecht dem Stammapostel, in vollkommenstem Maße verkörpert. Mit ihm müssen die Apostel eins sein; sonst geht ihnen der Segen verloren, und ihre Arbeit bleibt ohne Lohn." 26
----------------------------------
23 siehe dazu die Spaltungen. S.u.a: Apostolische Gemeinschaft e.V.: Geschichtlicher Rückblick auf die Entwicklung des Stammapostelamtes, Düsseldorf 1975 (A); Kuhlen Peter: "Nachdenkliches aber die Botschaft des Stammapostels J.G. Bischoff", Düsseldorf 1955 (A)
24 o.V.: Wächterstimme 1. Juni 1956, Nr. 6, S. 43
25 J.G. Bischoff : Gottesdienst vom 24.12.1951 Gießen, S. 9
26 o.V. : "Einssein", in Amtsblatt 1953, Frankfurt a.M. 1953, S. 181
-15-
"- ohne den Stammapostel J.G. Bischoff gibt es keine Erste Auferstehung, keinen Eingang in den Hochzeitssaal und kein Wohnen im Reich der Herrlichkeit! -" 27
Dies ließ der Stammapostel J.G. Bischoff nicht nur zu, sondern stellte sich auch noch selbstherrlich dar:
"Worin kann man denn dem Herrn übel tun, er ist doch Geist? Meine lieben Brüder und Geschwister, das ist nicht schwer. Wie viele haben an mir und somit am Herrn übel gehandelt" indem sie meine Worte verdrehen und etwas ganz anderes daraus formten, als dies durch den Geist des Herrn durch mich gegeben war?" 28
"Der Herr hat mir die Zusage gegeben, daß ich nicht mehr sterben, sondern ihm am Tag der Ersten Auferstehung die bereiteten Brautseelen entgegenführen werde... Es ist also des Herrn Sache, wenn er einem Menschen besonders entgegenkommen will. Unter den sechshundert Millionen Christen, ja, unter den zweieinhalb Milliarden lebender Menschen, hat mir der Herr Jesus allein die Verheißung gegeben, daß er zu meiner Lebenszeit kommt." 29
Durch diese Maßnahmen, offene Gegnerschaft und Verherrlichung des Botschaftsträgers, war dann auch ein eventuell durch die 'innere Kritik' hervorgerufenes Überdenken der Botschaft nicht mehr möglich. So wurde die gesamte Lehre der Neuapostolischen Kirche unter die Botschaft gestellt. Der Glaubensgehorsam gegenüber dem Stammapostel und seiner Botschaft entschied schlußendlich, ob eine verlangende Seele versiegelt, d.h. in die Gemeinschaft aufgenommen wurde oder nicht. Dies kritisierte Priester Conzelmann aus Baltimore (USA) in einem Brief an seinen Apostel:
"Ich lehne mit Nachdruck ab, daß die Errettung der Seele auf die Annahme der 'Botschaft des Stammapostels' gegründet ist. (...) Daß es zum Dogma unserer Kirche wurde, daß eine Seele, die in jeder andern Hinsicht würdig ist, zu den Erstlingen Christi gezählt zu werden, als für das Himmelreich unwert verurteilt werden sollte, nur weil sie sich weigert, ein absolut
----------------------------------
27 o.V.: Wächterstimme, 15.Oktober 1955, Nr. 20, S. 160
28 J.G. Bischoff: Gottesdienst vom 23.05.1954 Zürich S. 3
29 o.V.: Amtsblatt 15. August 1955, Nr. 16, S. 123
-16-
schriftwidriges Dogma zu akzeptieren, und daß solcher Seele sogar die Sakramente vorenthalten werden, welche Christus als zum Eingang ins Himmelreich notwendig stiftete-, das geht mir über alles Verstehen." 30
Auch an den bereits "Entschlafenen" ging die Botschaft nicht vorbei, denn
"die aus jener Welt von Gott gezogenen Seelen sind sicher auch mit der Botschaft des Stammapostels vertraut gemacht, daß der Herr Jesus zu seiner und unserer Lebzeit kommen wird. Somit wissen sie auch, daß wenig Zeit ist, was deren Verlangen nach Hilfe, Versöhnung und Gnade steigert." 31
Man baute ein Märtyrium auf und erhob sich über die gesamte Christenheit:
"Mit dem Augenblick aber, in dem der Sohn Gottes durch den Stammapostel sein nahes Kommen ankündigen ließ, wurde mit einem Male vor aller Welt offenbar, daß wir uns grundsätzlich von der allgemeinen Christenheit unterscheiden. Nun galt es, einen Glauben aufzubringen, den der Herr noch nie von den Seinen gefordert hatte!" 32
Selbst an den Grundfesten des christlichen Glaubens wurde gerüttelt. So wurde u.a. die Botschaft höher geachtet als die Bibel:
"Keiner von denen aber, die der Herr in der Zeit der Urkirche und in der ersten Zeit seit der Wiederaufrichtung seines Werkes mit der Führung der Seinen beauftragt hat, konnte uns sagen, was uns der Stammapostel heute sagen kann1 Denn keinem von ihnen hatte Jesus offenbart, daß er in der Zeit seines Lebens wiederkommen will, so wie er dies dem Stammapostel eröffnet hat... Deshalb kommen wir mit dem, was niedergeschrieben ist nicht aus." 33
----------------------------------
30 P.A. Conzelmann: Brief an Apostel Fendt vom 26. März 1955, in: Der Herold (RAGB) 1955, Nr.3, S. 20 (A)
31 Rundschreiben an: Meine lieben Brüder, Bezirks- und Gemeindevorsteher im Apostelbezirk Stuttgart vom 18. Oktober 1954
32 o.V.: "Miterben Christi", in Amtsblatt 1960, Frankfurt a.M. 1960, S. 8
33 dto, S. 8
-17-
DIE VERHEIßUNG IST NICHT EINGETRETEN
Am 6. Juli 1960 verstarb nach kurzer 34 Erkrankung der Stammapostel Bischoff. Seine Lebenszeit war erloschen und seine Botschaft hatte sich nicht erfüllt. Ein fast zehn Jahre verkündigter Glaube an die Botschaft mußte eine erschütternde Auswirkung auf die Gemeinden haben. Die Erwartung, daß der Herr zur Lebzeit des Stammapostels und auch der eigenen kommen würde, brach plötzlich zusammen. Der Grund, der Fels des Glaubens war von einem Augenblick zum anderen unter- und weggespült. Was sollte jetzt geschehen? Welche Erklärung hatten die Apostel?
War jetzt der Zeitpunkt gekommen, in dem die Erkenntnis des Irrtums zum Eingestehen des Fehlverhaltens bei der Botschaftsverkündigung und aller daran angebundener Lehraussagen?
War jetzt die Zeit der Rückbesinnung auf die wahren Grundfesten des christlichen Glaubens angebrochen?
War jetzt nicht auch die Möglichkeit gegeben, mit der Sonderstellung des Stammapostels zu brechen? Vor allem nach den Worten des 'letzten' Stammapostels J.G. Bischoff. "Ich bin der Letzte und nach mir kommt keiner mehr." 35
Konnte jetzt die Kluft zwischen den ausgeschlossenen Kritikern und den nun belehrten Gläubigen überwunden werden?
DIE ZEIT NACH DEM TOD VON
STAMMAPOSTEL BISCHOFF
Der Schock über den Tod von Stammapostel Bischoff erlaubte unter den Aposteln kein Zögern, sollte nicht doch noch eine Katastrophe eintreten. Denn Stammapostel Bischoff prophezeite:
"Wenn mich der Herr vor seinem Kommen von dieser Erde wegnehmen würde, so gäbe das keine Katastrophe für Gottes Werk; es könnte im schlimmsten Fall für manche eine Enttäuschung werden." 36
----------------------------------
34 laut offizieller neuapostolischer Darstellung
35 J.G. Bischoff: Gottesdienst vom 24.12.1951 Gießen S. 3
36 o.V.: Amtsblatt 1. August 1951, Nr. 15, S. 118
-18-
Man mußte handeln, da gab es keine Möglichkeit mehr, langsam und vielleicht unbemerkt eine Korrektur vorzunehmen. Die Tatsache, daß der Stammapostel gestorben war, ohne daß die Wiederkunft Jesu gleichzeitig gekommen war, konnte nicht verleugnet werden. Die Apostel handelten prompt und nach eigenen Aussagen einstimmig.
In der am nächsten Tag verfaßten Erklärung der Apostel schrieben sie folgendes:
"Wir stehen ... vor dem unerforschlichen Ratschluß unseres Gottes und fragen uns, warum er seinen Willen geändert hat?" 37
Für einen neutralen Zuhörer mußte dies einen sehr befremdenden Eindruck hinterlassen, so wie es z.B. Reimers schreibt:
"Am 6. Juli 1960 ist J.G. Bischoff, ohne daß sich seine Voraussage der Wiederkunft Christi erfüllt hätte gestorben. Man würde meinen, die Leitung der Neuapostolischen Kirche hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt wahrgenommen, daß J.G. Bischoff sich im Hinblick auf das Datum der Wiederkunft geirrt hat. Die versammelten Apostel fanden jedoch eine andere Erklärung.
Die Verantwortung für das Fiasko wurde also nicht dem entschlafenen Stammapostel J.G. Bischoff, sondern Gott zugeschoben." 38
Als die Botschaft von Stammapostel Bischoff zu seiner Lebzeit kritisiert wurde, wurde immer die Erfüllung der Botschaft als Beweis angegeben, daß dieselbe göttlichen Ursprungs sei:
"Ich persönlich bin überzeugt, daß die Zubereitung des königlichen Priestertums in der Zeit erfolgt, in der ich noch vorhanden bin, und daß die Reichsgottesarbeit im Weinberg des Herrn mit mir ihr Ende erreicht, daß also der Feierabend kommt wo Lohnauszahlung stattfindet. Das Zeichen hierfür besteht darin, daß der Herr zu meiner Zeit in Erscheinung tritt und Abschluß seines Werkes macht." 39
----------------------------------
37 H.D. Reimer u. O. Eggenberger: "... neben den Kirchen", 7. A., Konstanz 1986, S.269f (N)
38 dto, S.269f
39 J.G. Bischoff: Gottesdienst vom 24.12.1951 , Gießen 1953, S.4f
-19-
"Aber daß der Sohn Gottes zu meiner Zeit kommt, ist so sicher, daß eher Himmel und Erde vergehen werden, ehe das Wort sich nicht erfüllen würde." 40
Mit der "göttlichen Willensänderung" waren alle möglichen Fragen aus dem Kreis der Gemeinden beantwortet:
"Es ist nicht so, wie manche denken, der Stammapostel habe sich geirrt oder getäuscht. ... Ich war und bin von der Wahrhaftigkeit dieser göttlichen Offenbarung restlos überzeugt. Wenn aber der Herr seinen Plan ändert, wer wollte ihm deshalb jetzt Vorschriften oder gar Vorwürfe machen? ... Wer sind wir denn, daß wir mit dem lieben Gott rechten wollten? Daß wir dem Herrn Vorschriften machen wollten und fragen: Warum handelst du so und nicht anders? " 41
Derselbe Apostel war jedoch bereit, wenigstens ein allgemeines "Schuldbekenntnis" abzulegen, indem er auf die Frage: Warum mußte alles so kommen? folgende Antwort gab:
"Wir stehen in der Erkenntnis, daß wir alle nicht ganz schuldlos an dem Geschehen sind. Wenn wir nur die eine Tatsache berücksichtigen, daß unser heimgegangener Stammapostel uns dreißig Jahre lang gepredigt hat: Lerne in diesem Leben zu überwinden, was du in der jenseitigen Welt nicht fortsetzen kannst! dann ist es angebracht dem Ernst der Zeit entsprechend an unsere Brust zu schlagen und uns zu fragen: Haben wir denn das getan, oder haben wir es unterlassen? Manche haben nicht nur nicht überwunden, sondern noch neue Bindungen aufgenommen, so daß dem ewigen Gott gar nichts anderes übrig geblieben ist, als sein Volk kurz vor der Heimholung noch einmal wachzurufen und ihm zu zeigen, daß seine Liebe zu ihm Wege geht die der natürliche Verstand nicht mehr begreifen kann, die aber der Glaube zu gehen imstande ist." 42
Dieses Schuldeingeständnis ist nicht gegen die Botschaft des Stammapostels Bischoff gerichtet, sondern wiederum nur um diese zu rechtfertigen. Es sind auch in der Folgezeit keine Anstrengungen
----------------------------------
40 o.V.: Wächterstimme, Frankfurt a.M. 1955, Nr.6, 15. März 1955, S.45
41 G. Rockenfelder, Gottesdienst vom 24.07.1960 Wiesbaden, S.2+5
42 dto, S. 1
-20-
unternommen worden, die verunglückte Botschaft in das richtige Licht zu bringen und diesen Zeitabschnitt der neuapostolische Geschichte zu Korrigieren. Die Apostel blieben bei ihrer ursprünglichen Aussage und betrachten auch heute noch dieses Nichteintreten der Botschaft als "die bisher schwerste Glaubensprüfung für das Volk Gottes". 43
ENTSTEHUNG DER BOTSCHAFT
Das Aufkommen der Botschaft unter Stammapostel Bischoff wird offiziell wie oben erwähnt auf das Weihnachtsfest 1951 datiert. Verschiedene Äußerungen lassen jedoch den Schluß zu, daß die Entstehung der Botschaft bereits vor dieser Zeit lag. So schrieb bereits Ende 1950 in dem Kalender "Unsere Familie" Meyer-Geweke von der Botschaft. Nachdem er die Reihe der Stammapostel aufgezeigt hatte, angefangen von Petrus als ersten in dieser Kette, schreibt er weiter:
"So ist das letzte Glied dieser Kette unser Stammapostel. Ein Menschenalter schon steht er im Dienste des Herrn und seit 2 Jahrzehnten an Christi Statt an der Spitze des großen Pilgerzuges auf Erden, um die Kinder Gottes zuzubereiten und zu vollenden auf den großen Tag der Wiederkunft des Herrn. Das und nichts anderes ist der Sinn seines Lebens, denn er weiß mehr und besser als wir alle, daß das Erlösungswerk des Herrn auf Erden kurz vor seinem Abschluß steht. Er ist der festen Überzeugung, daß der Herr nicht mehr lange verziehen und die Seinen noch zu seinen Lebzeiten heimholen wird ins Vaterhaus, zumal ihm der Herr-nach seinen eigenen Worten- noch keinen gezeigt hat der das Gotteswerk auf Erden nach ihm weiterführen solle. *44
Und doch hat das Apostelkollegium im Jahre 1948 Peter Kuhlen zum Stammapostelhelfer und designierten Nachfolger des Stammapostels Bischoff einstimmig gewählt. Bischoff ordinierte ihn dann in einem feierlichen Gottesdienst am 1. 08. 1948 in dieses Amt. Die Frage, warum er dies offensichtlich ohne 'göttlichen Fingerzeig' getan hat, wollen wir später erörtern.
----------------------------------
43 o.V.: "Apostel der Endzeit", Frankfurt a.M. o.J.
44 o.V.: "Unsere Familie, Der Kalender für das neuapostolische Heim 1951", Frankfurt a.M., 1950, S. 35
-21-
"Und wenn wir ihn heute in jugendlicher Rüstigkeit (79 Jahre alt/ AdV.) und ungebrochener Kraft wirken und dem Volke Gottes dienen sehen, so kommt bei den Getreuen, wie einst unter den Brüdern, die Rede auf.
Dieser Jünger stirbt nicht Johannes 21, 23" 45
Über die Art und Weise, wie Stammapostel Bischoff diese Botschaft erhielt, gibt es unterschiedliche Äußerungen. Seine persönlichen Stellungnahmen reichen vom "allmählichen dahingelangen" bis hin zum persönlichen Offenbaren durch Jesus selbst:
"... wenn ich sage, daß ich glaube, daß der Herr zu meiner Lebzeit kommt, dann ist diese Überzeugung nicht ein Produkt meines Verstandes, sondern eine Offenbarung von Seiten des Herrn Jesu, als er mich wissen ließ, daß er mich erwählt hat um ihm seine Braut entgegenzuführen. Diese meine Überzeugung hat also ihre Grundlage in dem, was mir der Herr Jesus persönlich offenbarte." 46
"... Diese Verheißung ist kein Ergebnis von Träumen, Gesichten oder Überlegungen, sie ist auch nicht aus den allgemeinen Zeiterscheinungen hervorgegangen. Auch mein Lebensalter ist nicht der Grund zu einer solchen Verkündigung gewesen.
Mir ist vom Herrn Jesus verheißen, daß er zu meiner Lebenszeit kommt. Es war somit meine Pflicht, dies den Aposteln, den Amtsträgern und allen Geschwistern mitzuteilen, was in Wort und Schrift geschah. ... Der Herr kommt zu meiner Lebenszeit, daran kann niemand etwas ändern; denn dies ist eine göttliche Zusage." 47
----------------------------------
45 o.V., Wächterstimme, 49. Jhg, Nr. 20, 15.10.1950, S. 154f
Im selben Zusammenhang wurde auch später diese Argumentation angewandt: "Wenn es dem Herrn Jesus gefiel, mir unter den 2 1/2 Milliarden Menschen der Gegenwart bekanntzugeben dass er zu meiner Lebzeit komme, dann ist das seine Sache. Denen aber, die sich über diese göttliche Offenbarung und Zusage aufregen oder ärgern, gehen die Worte des Herrn: So ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an?" (Johannes 21, 22)" (aus einem Rundschreiben an die Amtsträger 19.03.1954 von Apostel G. Schall, Württemberg)
46 J.G. Bischoff: Gottesdienst vom 16.03.1952 Ulm
47 J.G. Bischoff: Rundschreiben an die Amtsträger, 24.01.1955
-22-
"Es ist mir persönlich eine große Freude und Genugtuung, allmählich dahin gelangt zu sein, daß der Geist des Herrn eine solch deutliche Sprache zu führen imstande ist." 48
Soweit die von Stammapostel Bischoff selbst gemachten Äußerungen. Diese lassen einige Spekulationen zu, denn obwohl er sich meistens auf eine Offenbarung Jesu beruft, verschweigt er wie diese Übermittlung der Botschaft geschah. Er sagt nur, daß es weder durch einen Traum noch durch ein Gesicht geschah. Wie geschah es dann? Der Stammapostel spricht auch davon, daß er die Botschaft nicht durch Überlegung oder dem Studium der Zeiterscheinungen verdankt. - Und doch spricht er von einem 'allmählichen dahin gelangen.
Stammapostel Bischoff erwähnte nie einen Zeitpunkt an dem er die Botschaft erhielt, sondern spricht davon, daß
"es ihm persönlich eine große Freude und Genugtuung sei, allmählich dahin gelangt zu sein, daß der Geist des Herrn eine solch deutliche Sprache zu führen imstande ist." 49
und
.Das Wort von heute mag manchem als neu erscheinen, aber es ist lediglich eine Fortsetzung der bisher geleisteten Arbeit." 50
Sein Sohn, der damalige Apostel Friedrich Bischoff begründete in dem Gottesdienst in Gießen die Botschaft durch die Müdigkeit im Warten auf den Herrn wie folgt:
"Es kann dem Volke Gottes kein langes Warten, kein weites sehen mehr zugemutet werden, sondern wir wissen alle, nun geht es der Erlösung entgegen." 51
In ähnlicher Weise sagte er es auch in einem Ämterdienst:
"... Und da scheiden sich die Geister. ... Wir sehen heute, daß das von Jesu damals Vorausgesagte (die Zeit seines Kommens)
----------------------------------
48 J.G. Bischoff: Gottesdienst vom 24.12.1951 Gießen, S. 6
49 dto, S. 6
50 dto, S. 9
51 dto, S. 10
-23-
sich mehr und mehr erfüllt, und sind dadurch zu der Überzeugung gelangt, daß der Herr zu unserer Zeit kommt. 52
Zur Begründung der Botschaft erwähnt Stammapostel Bischoff nie den Wortlaut dessen, was ihm "der Herr Jesus offenbarte", sondern weicht z.T. zur Begründung seiner Botschaft auf 'fremde' Zeugnisse aus. So berichtete das Amtsblatt 1952 von einer `Weissagung` bei seiner (Bischoffs) Amtseinsetzung als Stammapostel:
"Bei meiner Einsetzung als Stammapostel sagte Vater Niehaus u.a.: 'Sei und bleibe die Krone des ganzen Gottesvolkes!` Damit hat er angedeutet, daß ich bleiben werde, bis der Herr kommt. Diese Worte werden sich erfüllen, wie auch die übrigen Worte, die er bei meiner Einsetzung sprach, sich erfüllt haben." 53
Weitere Zeugnisse oder wie es oft im neuapostolischen Sprachgebrauch heißt, 'göttliche Beweise', führte Stammapostel Bischoff u.a. im oben erwähnten Ämterdienst noch aus. Einleitend sagte er dazu:
"Ich habe darauf hingewiesen, daß ich glaube, der Herr komme zu meiner Lebzeit. Dafür habe ich Zeugnisse und vor allen Dingen das, was mir der Herr selbst geoffenbart hat." 54
Bereits im Gottesdienst am 24.12.1951 erzählte der Bezirksapostel G. Rockenfelder einen dieser so wichtigen Beweise, den er nach ungesicherten Aussagen bereits zuvor verschiedentlich erwähnte
"Ich entsinne mich einer Stunde, als ich ein Junge von 10 Jahren war, da nahm mich mein Vater auf einem Spaziergang mit. Er setzte sich auf eine Bank und nahm mich zwischen seine Knie und sagte: 'Sieh Junge, unser Apostel (der heutige Stammapostel Bischoff) wird einmal unser Stammapostel werden. (Das war im Jahr 1914) Und wenn er Stammapostel ist, dann ist er es, der Gottes Werk zu Ende führt. Ich sagte: 'Vater, woher willst du das wissen, wer hat dir das gesagt?` Er gab zur Antwort: 'Der Herr hat mir's offenbart.´" 55
----------------------------------
52 J.G. Bischoff: Ämterdienst in Amtsblatt 1952, Frankfurt a.M. 1952, S. 40
53 dto, S. 40
54 dto. in diesem Ämterdienst werden mehrere Visionen als Beweis dieser Zeugnisse angeführt (S. 6, 8 u. 9)
55 J.G. Bischoff : Gottesdienst vom 24.12.1951 Gießen S. 7
-24-
Solcher Art gab es noch ungezählte 'göttliche Beweise' der Botschaft. So schreckte man, als es im Bezirk Düsseldorf erheblichen Widerstand gegen die Botschaft des Stammapostels gab 56, nicht zurück, Tote und selbst Magier als Beweis der Echtheit der Botschaft anzuführen. So berichtete Stammapostel Bischoff folgende Begebenheiten:
"In A. besuchte ein Fabrikant mit seiner Frau unsere Gottesdienste. Als er von der Botschaft hörte, daß der Herr zur Lebenszeit des Stammapostels käme, blieb er wieder weg, ebenso seine Frau. Nun kam die Zeit, wo die Frau vor der Entbindung stand. Der Arzt leitete die Entbindung ein und gab der Frau sechs Spritzen. Sie starb mit ihrem noch nicht geborenen Kinde. Daraufhin wollte sich ihr Mann das Leben nehmen. Da erschien ihm eines Nachts seine Frau und sagte: `Mann, nimm dir nicht das Leben, sondern gehe in die Neuapostolische Kirche. Jesus Christus kommt zur Lebenszeit des Stammapostels' Er kam dann auch wieder in die Gottesdienste und ist bereits aufgenommen." 57
Dem Bericht einer Glaubensschwester über die 'Meister der Weisen Magie' wird im folgendes entnommen:
"In meinem 24. Lebensjahre, 1924/ 25, als ich in Verbindung stand mit einem Kreis sogenannter Meister der Weisen Magie, Peryt Shou und Pawlik, wurde mir von Peryt Shou selbst gesagt, daß er nicht befugt sei, mich zu unterrichten. Mein Engel wehre es ihm. Ich solle mich aber aufmachen und nach Frankfurt gehen. Von dort würde einmal und zwar noch zu meiner Zeit das Heil mir erscheinen, das Christus mir und den Seinen bereitet habe. Zu der Zeit, als Friedhelm geboren wurde, 1936, sagte mir ein Astrologe, ich sei nicht von dieser Welt und würde lebendigen Leibes weggenommen werden." 58
Ein weiterer 'göttlicher Beweis' für die Botschaft aus dem 'indischen Jenseitsbereich' soll hier leicht gekürzt noch angeführt werden:
"Nun schrieb ein Mann im Alter von sechsunddreißig Jahren
folgendes:
----------------------------------
56 siehe dazu auch Peter Kuhlen: "Ereignisse in der Neuapostolischen Kirche, die zur Gründung der Apostolischen Gemeinde geführt haben", o.O., o.J. (A)
57 J.G. Bischoff : Gottesdienst vom 18.03.1956 Düsseldorf S. 4
58 dto. S. 4
-25-
'Ich war nach Wahrheit suchend und verlangend und kam im Jahre 1948 mit den Menschen zusammen, die mir dabei helfen konnten. Ich fand in alten Büchern über indische Heilige (Jogis) eine Menge Stoff für mich. (...) Vor allem in den letzten Jahren wurde von meinem Lehrer, der aus höherer Ebene zu mir kam, darauf hingewiesen, daß in kommender Zeit mit einer großen Umwälzung auf Erden zu rechnen sei, und daß der Plan Gottes bald erfüllt werde: Christus wird zu den Seinen kommen und sie bewahren, wenn viele Menschen ihrer Vernichtung entgegengehen. im Juli 1955 stellte mein Lehrer mir anheim, mich denen anzuschließen, deren Oberhaupt von Christus aufgesucht wurde und dem er sagte, er werde den Tod von ihm nehmen und zu seine, Lebenszeit noch auf die Erde kommen. Durch einen Freund erfuhr ich, daß dieses der Stammapostel der Neuapostolischen Kirche sei. Es war mir diese Offenbarung des Stammapostels vorher unbekannt." 59
Nach diesen "Beweisen" kommt Stammapostel Bischoff zu dem Schluß:
"Wer kann denn da noch zweifeln an der Wahrhaftigkeit dessen, was der Herr mir geoffenbart hat?" 60
WAR DIE BOTSCHAFT DAS RESULTAT EINES MACHTKAMPFES UM DAS HÖCHSTE AMT DER NEUAPOSTOLISCHEN KIRCHE?
Da Stammapostel Bischoff und auch seine Apostel keinen Aufschluß über die genauen Vorgänge, die zur Botschaft führten, geben, und wir nachgewiesen haben, daß die Botschaft bereits vor 1951 bestand, liegt es nahe, noch etwas weiter in die Vergangenheit zu gehen. Vielleicht gelingt es doch noch, einen Anhaltspunkt für die Entstehung der Botschaft zu erhalten. Wie bereits weiter oben angesprochen, gab es in den Begründungen der Botschaft Widersprüche, so auch die Begründung, daß Gott ihm, J.G. Bischoff
"noch keinen gezeigt hat, der das Gotteswerk auf Erden nach ihm weiterführen solle." 61
----------------------------------
59 J.G. Bischoff : Gottesdienst vom 18.03.1956 Düsseldorf S. 5
60 dto. S. 5
-26-
Und doch wurde in der Apostelversammlung vom 21. Mai 1948 der Apostel Peter Kuhlen einstimmig zum Stammapostelhelfer und zum Nachfolger des Stammapostels Bischoff gewählt. 62
Warum widerspricht Stammapostel Bischoff dieser Ordination von seinem 'Helfer' Kuhlen zu seinem Nachfolger? War diese Wahl Kuhlens zum Nachfolger von den Aposteln nicht auf göttliche Zeichen begründet? Was war dieser Wahl voraufgegangen?
Zur Klärung dieser Fragen soll hier Herbert Schmidt, ehemaliger Bezirksältester im Saarland zitiert werden:
"In dieser Zeit (Nachkriegszeit/ AdV) wurde auch die Frage der Nachfolgeschaft des damaligen 'Stammapostels' 1.G.Bischoff aufgeworfen. Das führte sofort zu heftigen Diskussionen und noch heftigeren Differenzen innerhalb der Führung der Neuapostolischen Gemeinde. Der damalige 'Stammapostel' J.G. Bischoff und einige Leute aus seiner nächsten Umgebung wollten von einem Nachfolger durchaus nichts wissen, obwohl der 'Stammapostel' schon hochbetagt war. Andere hielten aber die Frage der Nachfolgerschaft gerade aus diesem Grunde für sehr dringlich. (...) Schließlich fanden über die Frage der Nachfolgeschaft im sogenannten `Apostelkollegium` Versammlungen statt und es kam auch endlich nach vielen Schwierigkeiten und Spannungen zu einer Abstimmung. Bei dieser Abstimmung wurde `Bezirksapostel' P. Kuhlen einstimmig zum Nachfolger gewählt." 63
"Als auf normale Art und Weise, durch Beeinflussungen kleineren und größeren Ausmaßes die Einsetzung des `Bezirksapostels' P. Kuhlen zum Nachfolger des 'Stammapostels' J.G. Bischoff nicht rückgängig zu machen war, ließ man sich in der Zentrale in Frankfurt/ Main etwas ganz Besonderes einfallen; etwas, was gegen jegliche vernünftige Überlegung, wie auch gegen jeglichen biblischen und christlichen Glauben war: Man erfand die Botschaft, der Stammapostel würde nicht mehr sterben und Jesus komme zu seiner Lebzeit, er sei der letzte 'Stammapostel' und also
----------------------------------
61 o.V.: "Unsere Familie, Der Kalender für das neuapostolische Heim 1951", Frankfurt a.M., 1950, S. 35
62 o.V.: "Der Herold", 1970,16. Jhg. Nr. 7-9, S. 50f (A)
63 H. Schmidt: Die Wahrheit, Zusammenfassung der Ereignisse, S. 5 (A)
-27-
brauche man keinen anderen Stammapostel und damit auch keinen Nachfolger mehr. Gott habe ihm, dem Stammapostel, noch keinen Nachfolger gezeigt. Das Kommen des Herrn zur Vollendung seines Werkes stehe unmittelbar bevor. Wenn dieses auch erst 1951 veröffentlicht wurde, so war diese 'geheime Waffe' doch schon 1948 geschmiedet." 64
Herbert Schmidt kam durch die Spannungen unter der Apostelschar selbst und mit ihm der Großteil des Saarlandes in erhebliche Schwierigkeiten.65 Nach seiner eigenen Darstellung weigerte er sich bereits 1948, sich den Gegnern Kuhlens und somit den Botschaftsbefürwortern anzuschließen.
"Schon im Jahre 1948 trat Herr G. Rockenfelder bei einem Besuch in meiner Wohnung in dieser Art (daß vor der Veröffentlichung der Botschaft, Freunde und Helfer gesucht wurden/ AdV) an mich heran. Er wollte mich durchaus beeinflussen und tat sehr geheimnisvoll. Er erzählte dabei, einige 'Apostel' glaubten dem 'Stammapostel' nicht und wollten auch nicht an die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Christi glauben. (... Ich) erklärte ihm frei und offen, daß ein solcher Versuch der Beeinflussung bei mir zwecklos wäre und ich solches ein für allemal entschieden und ablehnen würde." 66
Herbert Schmidt und mit ihm fast 2.000 Mitglieder der Neuapostolischen Kirche des Saarlandes wurden aus der Neuapostolischen Kirche ausgeschlossen. In den darauffolgenden Jahren gab es noch etliche tausend Mitglieder in anderen Bezirken, die wegen der Ablehnung der Botschaft ausgeschlossen wurden.
Kann diese ungeheuerliche Berichterstattung Schmidts belegt werden? Oder sind es polemische, unbegründete Anschuldigungen eines "Gegners" des "Werkes Gottes"?
Lassen wir hierzu die offiziellen neuapostolischen Quellen für sich selbst sprechen. Die Auseinandersetzung mit dem Stammapostelhelfer, die im Jahre 1955 zum Ausschluß von Apostel Peter Kuhlen und zur Gründung der Apostolischen Gemeinschaft Düsseldorf e.V. führte, gibt
----------------------------------
64 H. Schmidt: Die Wahrheit, Zusammenfassung der Ereignisse, S. 6 (A)
65 dto, S. 9
66 dto, S. 9
-28-
uns Einblick in die zu untersuchenden Zusammenhänge.
Zunächst gibt Stammapostel J.G. Bischoff selbst zu, daß im Apostelkollegium Unstimmigkeiten bezüglich seiner Person und der möglichen Nachfolgerschaft herrschte. So sprach er sich 1955, nachdem er durch die Botschaft seine Position im Apostelkollegium festigen konnte, ganz deutlich gegen die Wahl von Apostel P. Kuhlen aus:
"Mir hat der liebe Gott bis heute keinen gezeigt, den er als Nachfolger bestimmt hätte. Daß früher einmal davon die Rede war, hatte einen ganz anderen Grund. Das geschah hinter meinem Rücken. Ich sagte damals: "Eure Sache wird nicht bestehen!" - So kam es auch. Ich glaubte damals, daß die daran Beteiligten gelernt hätten; aber die letzten Ereignisse haben gezeigt, daß dies nicht der Fall war. Damals habe ich Kuhlen Amt und Wirkungskreis gelassen."67
Daß es sich hierbei tatsächlich um eine ernsthafte "Stammapostelkrise" handelte, macht folgende Ausführung der Neuapostolischen Kirche deutlich:
"Wir durchleben heute eine ähnliche Zeit. Der Herr hat unserem Stammapostel geoffenbart daß er nicht stirbt und er zu seiner Lebzeit kommt um die Braut heimzuholen. Der Stammapostel hat die Hauptleute (die Apostel und alle Amtsträger) beauftragt, unter das Volk zu gehen und ihm solches zu sagen, daß sie sich nach des Herrn Wort das durch ihn geoffenbart wird, einstellen und bereiten sollen. Was jene Hauptleute , die den Stammapostel verworfen und sich einen anderen erwählt haben, nicht taten, hat der Herr in seiner Botschaft die seit Weihnachten 1951 offenbar wurde, durch den Stammapostel selbst und seine treuen Apostel getan. Die Gottesländer, die sich an dieses Wort halten, werden wie jene damals, auch heute mit des Herrn Knecht in das himmlische Kanaan eingehen. Wo wäre aber Gottes Volk hingekommen, wenn der Herr nicht eingegriffen hätte, als die Arbeit des Herrn in unserem Stammapostel von einzelnen Stammesfürsten verworfen wurde?" 68
Die Auseinandersetzung um die Nachfolgerschaft datiert H. Schmidt auf die Jahre 1947 bzw. 1948, was durch folgenden Bericht bestätigt
----------------------------------
67 J.G. Bischoff: "Amtsblatt", Frankfurt a.M., 29. Jhg. Nr. 16, 15. August 1955,S. 123
68 o.V.: "Amtsblatt", Frankfurt a.M., 24. Juli 1955, S. 99f
-29-
wird:
"Unser Stammapostel hat kürzlich erwähnt, wie einzelne Männer schon im Jahre 1947/ 48 gegen ihn standen. Aber der liebe Gott hat sich nicht zu ihnen bekannt. In dieser Zeit waren wenige um den Stammapostel, die ihm völlig ergeben waren! Wie mag er sich damals als E i n s a m e r und V e r l a s e n e r an seinen Sender gehalten haben!" 69
Hier haben wir auch einen Hinweis, daß zum Zeitpunkt der Wahl von Peter Kuhlen (21.05.1948) die Zahl der Anhänger des amtierenden Stammapostels wohl sehr gering war. Doch mit der Botschaft stärkte sich die Macht des Stammapostels J.G. Bischoff und seiner ihm treu ergebenen Apostel. 1955 war seine Stellung so sicher, daß er die "untreu gewordenen Apostel" ausschließen konnte und in diesem Siegestaumel gab man im Amtsblatt einen Hinweis auf die Zusammenhänge zwischen der Wahl des Stammapostelhelfers und der Entstehung der Botschaft, ohne daß dies wohl von den 'Amtsbrüdern' oder gar den 'Geschwistern' bemerkt wurde. Lassen wir diesen Bericht als Beweis und Schluß unserer Abhandlung folgen, doch nicht ohne vorher nochmals darauf hinzuweisen, daß dieser Bericht ungefähr fünf Jahre vor Bischoffs Tod entstand:
"Aus menschlicher Meinung wurde für den alten Stammapostel, der den Platz für den nächsten nicht freimachte, ein Nachfolger gewählt. `Die angeführte Sorge um Gottes Volk' war nur vorgetäuscht. Sie war nur Mittel zum Zweck. Und wenn er doch stirbt, aber was dann? Der Verstand und menschliche Weisheit wußten eben nicht, was noch diesem Mann alles begegnen wird. So erwählte man gegen Gottes und des Stammapostels Willen (denn der Herr redet doch nicht allein durch ihn, sondern auch durch uns (4. Mose 12), einen Nachfolger. Er wurde dem Volke Gottes vorgestellt und viele hatten Gefallen daran.
Aber auf einmal trat der Stammapostel im Namen des Herrn unters Volk und rief. 'H e r z u m i r, w e r d e m H e r r n a n g e h ö r t! Ich bin der Letzte und nach mir kommt keiner mehr. Ich führe euch heim!' Da allmählich erkannten viele, was geschehen war, und auch das selbstgemachte Bild war nicht mehr, ja es redet kaum noch einer davon." 70
----------------------------------
69 J.G. Bischoff: "Amtsblatt", Frankfurt a.M., 29. Jhg Nr. 16, 15. August 1955, S. 123
70 o.V.: Amtsblatt 1955 Für Sonntag 24.7.1955, S. 100
-30-
RESÜME
Da es kaum möglich sein wird, jemals Einsicht in die Protokolle der Apostelversammlungen jener Zeit zu erhalten, kann nicht mit letzter Sicherheit bewiesen werden, daß die Entstehung der Botschaft J.G. Bischoffs auf Machtbestreben innerhalb des Apostelkollegiums zurückzuführen ist. Aus der kircheninternen Literatur lassen sich jedoch die von Zeitgenossen erhobenen Vorwürfe glaubhaft nachvollziehen, und dadurch die Hypothese, daß die Botschaft im Machtkampf um das höchste Amt der Neuapostolischen Kirche entstand, aufstellen.
Die negativen Auswirkungen dieser Botschaft waren Spaltungen durch Exkommunikation der Botschaftsgegner und vor allem eine Personifizierung des neuapostolischen Glaubens in dem Stammapostel J.G. Bischoff. In Abwägung zwischen den christlichen Grundsätzen und der Botschaft des Stammapostels, daß der Herr zu seiner Lebzeit kommen würde, wurde selbst die Heilige Schrift untergeordnet.
Nachdem die Botschaft nicht eingetreten war und Stammapostel Bischoff am 06. Juli 1960 verstarb, erfolgte keine Richtigstellung. Die nun angebrachte Korrektur und das Eingestehen der Fehler der Vergangenheit bezüglich der Botschaft selbst und des Stammapostelamtes als Machtinstrument im Besonderen, erfolgte nicht. Vielmehr wurde Gott unterstellt, daß Er seinen Willen geändert habe.
Weiter ungeklärt bleibt, ob alle nach Stammapostel Bischoff gewählten und ordinierten Stammapostel überhaupt dazu legitimiert sind, da ja feststand, daß Stammapostel Bischoff der "letzte Stammapostel" war.
Die Neuapostolische Kirche hat, was die Botschaft anlangt, nie einen Irrtum eingestanden. In diesem Zusammenhang ist interessant, was Stammapostel Walter Schmidt 1963 in Bezug auf das Eingestehen eines Irrtums sagte:
"In Jerusalem ist niemals die Kunde laut geworden, daß die Schriftgelehrten und Pharisäer ihr Fehlurteil überprüft und zugegeben hätten. Sie beugten sich auch nicht vor Gott und taten nicht Buße für ihre Sünden. Ihre Stellung unter dem Volk verbot es ihnen, zu bekennen, daß sie einen Irrtum zum Opfer gefallen und der Schrift nicht kundig gewesen waren." 71
----------------------------------
71 Walter Schmidt: *Amtsblatt", Frankfurt a.M., 1963, 37.Jhg. Nr. 6, 13.3.1963, S.47
-31-
NAMENSVERZEICHNIS
Bischoff, Friedrich 23
Bischoff, Johann Gottfried 9
Conzelmann, P.A. 16
Fehr, Richard 8
Jehovas Zeugen 10
Krebs, Friedrich 11
Kuhlen, Peter 21,27
Rockenfelder, Gottfried 8,12,24
Sauer, Klaus 8
Schmidt, Herbert 27
Schmidt, Walter 31
Schwarz, Friedrich Wilhelm 11
Schwarzer, Gottfried 8
LITERATURHINWEIS
Die Literatur der apostolischen Bewegung ist im allgemeinen nur für Mitglieder der einzelnen Gemeinschaften zugänglich und werden nicht nach außen gegeben. Die angegebenen Literaturquellen sind im Besitz des Autors. Um dem nicht apostolischen Leser eine kleine Hilfestellung zu geben, sind die apostolischen Quellen mit (A), die Literatur außerhalb der apostolischen mit (N) gekennzeichnet. Die ungekennzeichneten sind Quellen der Neuapostolischen Kirche.
-32-
Vom gleichen Autor:
Wir dürfen nicht aufgeben!
Ende 1992 sorgte der Fall des "Erlanger Babys" für eine kontroverse Diskussion der Frage, ob die Körperfunktion einer hirntoten Schwangeren aufrechterhalten werden dürfen, um das Leben des Babys zu retten. Im Fall der Gaby Siegel hat sich ihr Ehemann in der Gewißheit einer tiefen Verbundenheit mit seiner Frau dafür entschieden. Sein ergreifendes Tagebuch schildert den positiven Verlauf, aber auch die Tragik dieser Schwangerschaft.
Gütersloher Taschenbücher 974 190 Seiten DM 19,80
Weitere Hefte in der theologischen Reihe: Neuapostolische Kirche
Der Repräsentant des Herrn
oder: Die Lebensbeschreibung der neuapostolischen Stammapostel
An der Spitze der hierarchischen Ämterstruktur der neuapostolischen Kirche steht der Stammapostel. Er ist in allen Angelegenheiten der Kirche oberste Instanz und wird von allen Mitgliedern als der "Repräsentant des Herrn" auf der Erde angesehen.
Diese Abhandlung beleuchtet die historische Entwicklung und die innerkirchliche Begründung dieses höchsten Amtes der Neuapostolischen Kirche und läßt, wo entsprechende Originaldokumente vorliegen, die Führer der Neuapostolischen Kirche zu Wort kommen um sich selbst darzustellen. Hierbei handelt es sich meist um Quelltexte, die auch innerhalb der Neuapostolischen Kirche nicht mehr zu erhalten sind.
Lachesis Doku 1 in Vorbereitung: erscheint Winter 1994
--------------------------
Zu beziehen durch Verlag & Buchhandlung:
Lachesis Postfach 400 665 70407 Stuttgart
(Umschlag)
Die Botschaft des J.G. Bischoff
beherrschte ein Jahrzehnt die Neuapostolische Kirche. An ihr erregten sich die Gemüter, sie zeigte mehr als deutlich das Prinzip der "Nachfolge" und des "Aufschauens" als autoritäres Instrument dieser Glaubensgemeinschaft. An ihr wurde deutlich, daß die Nachfolge des "Repräsentanten des Herrn" nur im bedingungslosen Gehorsam erfolgen kann. Ohne Glaube an die Lehre der Botschaft, daß J.G. Bischoff nicht sterben werde, konnten Gläubige nicht in die Gemeinschaft aufgenommen werden. Mitglieder, die diese Botschaft als unbiblisch kritisierten, wurden mit der Verweigerung der "Erstlingsschaft" bedroht, und wenn sie danach nicht botschaftsgläubig waren, einfach ausgeschlossen.
So waren es bis zum Tode J.G. Bischoffs mehrere Zehntausende von Mitgliedern, die ausgeschlossen wurden, ohne daß sich die Botschaft von J.G. Bischoff erfüllte.
Diese Schrift geht auf die geschichtlichen Hintergründe der Botschaft des J.G. Bischoff ein. Sie versucht den Mitgliedern der Neuapostolischen Kirche deutlich zu machen, daß hier, wie auch in anderen Lehraussagen der Kirche, mit der Anmaßung göttlicher Autorität menschliches Machtstreben zu gravierenden Auswirkungen führt. Ebenso behandelt sie gedanken- und kritiklose Nachfolge einer Führerperson, wie dies vornehmlich im Amt des neuapostolischen Stammapostels der Fall ist. Wir Deutschen sollten aus unserer jüngeren Geschichte gelernt haben. Doch das Führerprinzip ist nicht überwunden, es lebt vor allem in den Sekten heute noch unter uns.
Karl-Eugen Siegel,
geb. 1957, Diplom-Kaufmann,
ist Mitglied der Neuapostolischen Kirche und beschäftigt sich mit der Geschichte und den Lehren der unterschiedlichen apostolischen Gemeinschaften.
Angeregt durch das Schicksal seiner Frau, die ihren Sohn nach 75 Tagen einer Hirntodschwangerschaft gesund zur Welt brachte, befaßt er sich auch mit den ethischen Grenzfragen unseres Menschseins.
Die Erfahrungen mit seiner Frau veranlaßten ihn, sich für die Belange und die adäquate Versorgung Schädel-Hirn-Verletzter einzusetzen. Dazu gründete er 1993 die "Gesellschaft zur medizinisch-therapeutischen Rehabilitation und Pflege Schädel-Hirn-Verletzter in Baden-Würtemberg mbH" und den Verein "CERES Heidenheim, Verein zur Hilfe für Cerebralgeschädigter".
ISBN 3-9804076-0-8