Vorbemerkung:
Die Bemerkungen zu dem folgenden Vortrag richten sich nicht (!) gegen Peter Johanning, der als Medienreferent der NAKI zur Zeit sicherlich den unangenehmsten und schwierigsten "Job" hat, den die Neuapostolische Kirche in dieser Umbruchphase zu vergeben hat...

Die Neuapostolische Kirche heute und morgen:
Ein Selbstportrait, gezeichnet von Peter Johanning
Halle/Saale, den 10. November 1999

Bemerkung:
Ueber die Veranstaltung in Halle und diesen Vortrag wurde am 20. Februar 2000 in "Unsere Familie" berichtet (nachzulesen am Ende dieses Beitrags), also ueber ein Vierteljahr nach dieser Veranstaltung. Dass man die neuapostolische Oeffentlichkeit nicht vorher informiert hat, laesst sich verschmerzen. Dass aber der Vortrag mit einer solchen Verspaetung und dann nur in sehr gekuerzter Form herauskommt, kann und sollte man bemaengeln.

Verehrte Damen und Herren, liebe Zuhoerer!

Es ist mir eine grosse Ehre, heute an dieser Stelle auf diesem Podium zu stehen – in einem Raum, der im 18. Jahrhundert als "Bet- und Singesaal" errichtet wurde und der auf lange Traditionen zurueckblicken kann. Grosse Dichter und Denker haben hier gestanden! Ueberhaupt ist dieser Ort, diese Staette und diese Stadt Halle und somit auch dieses Treffen ueberlagert vom Wehen der Geschichte, das ich heute dankbar zur Kenntnis nehme.

Bemerkung:
Tradition, Wehen der Geschichte... – der Vortrag beginnt verheissungsvoll. Aber schon der Titel des Vortrages haette stutzig machen muessen. Thematisiert wird das "heute und morgen" der Neuapostolischen Kirche. Wo ist das "GESTERN"? Ohne eine genaue Auseinandersetzung mit dem, was war, kann Zukunft nicht "besser" gestaltet werden. Es gibt keine geschichtslose Kirche, Sekte oder Sondergemeinschaft. Und auch keine geschichtslose Koerperschaft des oeffentlichen Rechtes...

Zum einen ist da Halle, die alte Salzstadt. Im biblischen Kontext steht Salz oft synonym fuer "Bewahrung", fuer das "Reinhalten" goettlicher Gesetze, fuer das gehaltvolle, geschmackvolle Evangelium. Ich selbst stamme uebrigens auch aus Halle, allerdings nicht aus dem an der Saale, sondern aus dem in Westfalen gelegene. Aber ich werte diese Namensuebereinstimmung als ein gutes Zeichen und als Reverenz an diese Stadt, von der Goethe bereits schwaermte, dass er das "akademische Klima" darin schaetze!

Bemerkung:
Ob sich Goethe wohl auch in der Neuapostolischen Kirche wohlgefuehlt haette? Haette er auch von dem "akademischen Klima" in der NAK geschwaermt? In diesem Zusammenhang kann man Johannings "Salz" – Aeusserungen noch ein wenig ausbauen: "Ihr seid das Salz der Erde" – dieses Jesuwort beziehen die neuapostolischen Apostel auf sich. Allerdings ist ein weiterer neutestamentlicher "Salz – Vergleich" weniger bekannt: Salz kann auch "dumm" werden (vgl. Luk. 14, 34) und Lukas schliesst diesen Gedanken mit der Aufforderung: "Wer Ohren hat zum Hoeren, der hoere!"

Zum anderen sind da die Franckeschen Stiftungen. Es draengt mich, an diesem ehrwuerdigen Ort ein wenig zurueckzublicken in eine Zeit, in der Toleranz, Beistand, Hilfe fuer Jedermann – besonders die Schwaecheren, einen anderen, noch angenehmeren Klang hatten. Francke wollte eine "Stadt Gottes" bauen; auch hier sehe ich uebrigens eine Parallele zu der Stadt, in der ich arbeite: In Bielefeld liegt Bethel, ebenso eine Stadt in einer Stadt, mit der uns Pastor Friedrich v. Bodelschwingh sein Lebenswerk hinterliess. Die Franckeschen Stiftungen sind bis heute ein Hort christlicher Toleranz geblieben. Prof. Paul Raabe sagt in seinem Aufsatz "Goethe in Halle": "Angesichts zunehmender Brutalitaet und Unmenschlichkeit, die die weltumspannenden Medien in jedes Haus der Erde tragen, wird es zum Fortbestehen der menschlichen Zivilisation notwendig sein, die menschlichen Werte der Humanitaet und der Toleranz, der Menschenliebe und der Achtung vor dem Fremden immer erneut zu vertreten." Diesem grundsaetzlichen Gedanken moechte ich die Achtung vor dem Hoechsten und die Gottesliebe anfuegen – ich werde spaeter darauf zurueckkommen.

Bemerkung:
Gerade als Journalist sollte man sich solche Spitzen gegen die "weltumspannenden Medien" verkneifen. Aber man sollte Verstaendnis aufbringen, die Medien – und hier ist vor allem das Internet mit seiner "weltumspannenden" Wirkweise zu nennen – macht dem Medienberater des Stammapostels schon sehr zu schaffen. Und selbst bis heute ist es ihm wohl noch nicht gelungen, seinem Chef die positiven Seiten des Internets zu erlaeutern (s.u.)...

Danken will ich an dieser Stelle unserem Gastgeber, Prof. Helmut Obst. Ich habe ihn an anderer Stelle einmal einen "aufrechten Protestanten" genannt! Er ist ein Mann der Oekumene, der es wohl wie kaum ein zweiter in der juengeren Kirchengeschichte unseres Landes verstanden hat, zuzuhoeren, an Gutes und Gemeinsames zu erinnern und das Schlechte ueberwinden zu helfen – der Bruecken baut, statt Graeben zu werfen. Seine Buecher, ich erinnere besonders an sein letztes Buch ueber die Neuapostolische Kirche, haben Zeitgeschichte geschrieben und auch meiner Kirche ein Stueck weit geholfen. Vor allem deshalb, weil jeder haemische Unterton unterbleibt und wirklich an der Sache diskutiert wird.

Vielleicht darf ich daher diesen Abend auch einmal nutzen, fuer diese Anstrengungen auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einer schwierigen Materie im Namen der Neuapostolischen Kirche "Danke" zu sagen!

Bemerkung:
Schon seit laengerem stellen sich viele die Frage, warum man ausgerechnet den "Kritiker" Obst so ueber den gruenen Klee lobt. Und dass dies lediglich ausserhalb der Kirchenmauern geschieht und innerhalb der Kirchenmauern immer noch Rundumschlaege gegen alle Kritiker gepredigt werden, zeigt die Doppelzuengigkeit neuapostolischer Kirchenpolitik. Prof. Obst ist auf Lobhudeleien nicht angewiesen, die wirken vielleicht dem Stammapostel gegenueber... Um es deutlich zu machen: Obst oeffentlich als "aufrechten Protestanten" zu bezeichnen, mag noch als Schmeichelei dem Gastgeber dieser Veranstaltung gegenueber durchgehen. Ihn aber als "Mann der Oekumene, der es wohl wie kaum ein zweiter in der juengeren Kirchengeschichte unseres Landes verstanden hat..." zu bezeichnen, zeugt von Unkenntnis ueber die Oekumene oder aber von Begeisterung ueber die in der NAK altbewaehrten Methode des Lobhudelns. Eine ernstgemeinte positive Wuerdigung waere gegeben, wenn z.B.

1. in der UF die Buecher Obsts als Lektuere empfohlen wuerden. Und in diesem Zusammenhang ist vor allem das Obst – Buch "Apostel und Propheten der Neuzeit" (1. Auflage der Neubearbeitung 1990) zu nennen und zu empfehlen, das argumentativ und mit zahlreichen Dokumenten die Anfaenge der Neuapostolischen Kirche aufzeigt und weit ueber dem Niveau seines letzten Buches ueber die Neuapostolische Kirche liegt.

2. der Medienreferent eine ausgewogenere Rezension ueber dieses Buch geschrieben haette, die dann allen (!) Glaeubigen durch die UF zugaenglich gemacht und nicht – wie geschehen – nur an die Bezirksapostel Deutschlands und der Schweiz verschickt worden waeren (die Rezension findet sich mit Kommentaren auf dieser HP). Interessanter Nebenaspekt: Kennt Obst diese Rezension ueberhaupt?

Prof. Obst hat unser persoenliches Erscheinen heute Abend als "sensationell" bezeichnet – ein Wort, das dem eher zurueckhaltenden Religionskundler gewiss nicht oft ueber die Lippen geht. Nun, so ganz sensationell sind Vortraege ueber meine Kirche, von neuapostolischen Mitgliedern gehalten, nicht mehr. Es gibt eine Reihe von aehnlichen Auftritten in den letzten Jahren, jedenfalls soweit es meine Arbeit anbelangt. Dass wir allerdings gerade hier und bei Ihnen zu Gast sein duerfen, ist auch fuer mich etwas Aussergewoehnliches, vor allem weil davon eine nicht zu unterschaetzende Wirkung nach aussen und innen ausgeht. Andererseits sei die Tatsache, dass heute vor Ihnen ein "Medienreferent" steht – also jemand, der vor und mit Hilfe der Medien referiert – der Ernst zu nehmende Beleg dafuer, dass sich meine Kirche der gesellschaftlichen Diskussion oeffnen will.

Ich meine, an dieser Stelle sei der Zeitpunkt gekommen, selbst etwas zu meiner Person zu sagen. Beruflich bin ich ausgebildeter Journalist, uebrigens ein Beruf, den ich mit grossem Engagement ueber viele Jahre hinweg ausgeuebt habe, gerade auch zu einer Zeit, in der Zeitungsmacher in unseren Kreisen noch mit einer gewissen Skepsis betrachtet wurden. Seit Mitte 1996 bin ich Medienreferent (frueher nannte man das Pressesprecher) der Neuapostolischen Kirche International und direkt dem Stammapostel unterstellt. Sehr verkuerzt moechte ich meinen Stellungswechsel mit einem Satz beschreiben: Frueher stellte ich die Fragen, heute versuche ich sie zu beantworten! Kirchlich arbeite ich ehrenamtlich als Bezirksevangelist im Kirchenbezirk Bielefeld, wo ich mit meiner Frau und meinen beiden Kindern lebe. Ich bin 43 Jahre alt und praktizierender Christ.

Ueber was spreche ich heute Abend? Es sind vor allem zwei Aspekte, die ich gemeinsam mit Ihnen naeher untersuchen will: "Die Neuapostolische Kirche heute und morgen". Ich verstehe meinen Vortrag von diesem Thema her sowohl auf der inhaltlichen als auch der zeitlichen Ebene. Inhaltlich moechte ich schildern, was gegenwaertig in meiner Kirche geschieht, was es Besonderes in ihr und an ihren Mitgliedern gibt – zeitlich gesehen, duerfte es von Interesse sein nachzuempfinden, was wann geschehen musste, damit wir uns heute hier treffen konnten.

1. Die Neuapostolische Kirche heute: eine Sekte?
Gleich zu Beginn moechte ich in unser Blickfeld eine Frage einbeziehen, die neuapostolischen Christen oft gestellt wird: "Ist die Neuapostolische Kirche eine Sekte?"

Warum geschieht es eigentlich, dass wir so gefragt werden? Niemand wuerde wohl diese Frage an einen evangelischen Christen richten, obschon es Gruende dafuer gaebe. Dies liegt natuerlich an der schwierigen Semantik des Sektenbegriffs, uebrigens nicht erst seit Heute; immer schon hat dieser Begriff sehr wenig dazu beigetragen, Menschen in anderen Kirchen verstehen zu lernen!

Die Neuapostolische Kirche nennt sich nach diesem Namen seit nunmehr etwa 70 Jahren. Diese Zeit muesste doch ausgereicht haben, den Kirchenbegriff laengst nach aussen hin gefestigt zu haben. Doch seit einigen Jahren erkennen wir eine zunehmende Hysterie, vor allem in Deutschland, und zwar allgemein, wenn es um sog. "Sekten" geht und im Besonderen auch im Hinblick auf meine Kirche. Dabei ist dieser Begriff durchaus schwammig und unterliegt einer gewissen Zeitgeist-Definition, die ich im Folgenden etwas naeher qualifizieren moechte. Grundsaetzlich gilt:

- "Kirche" ist nicht nur ein Organisationsbegriff, sondern in seiner Semantik auch an ihn bestimmende Faktoren geknuepft, so etwa an den Status einer oeffentlich-rechtlichen Anstalt, bei Kirchen "Koerperschaft des Oeffentlichen Rechts". Wir besitzen diesen Status in Deutschland.

- "Kirche" will sich offenbar auch abheben von zumeist kleineren Gruppen, denen man andere Begriffe wie "Religionsgemeinschaft" im guenstigsten Fall oder eben "Sekte" als worst case zuordnet.

Die Neuapostolische Kirche ist eine christliche, staatlich anerkannte Kirche – keine "Sekte"; aus unserer Sicht uebrigens weder im theologischen noch im umgangssprachlichen Sinn.

Diesen Satz moechte ich kurz erlaeutern: In der generellen oeffentlichen Wahrnehmung wird die NAK unter die "traditionellen oder klassischen Sekten" eingeordnet. Mal abgesehen von der aeusserst schwierig einzuordnenden Bedeutungsebene des Sektenbegriffes (ich erinnere nur an den Schlussbericht der Enquetekommission im Dt. Bundestag), moechte ich an dieser Stelle fuer meine Argumentation folgende Gedankengaenge nutzen:

- Die Glaubenslehre der Neuapostolischen Kirche gruendet auf einem explizit christlichen Bekenntnis! Im 2. Glaubensartikel heisst es: "Ich glaube an Jesum Christum, Gottes eingeborenen Sohn, unsern Herrn, der empfangen ist von dem Hl. Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben, begraben, eingegangen in das Reich der Entschlafenen, auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur rechten Hand Gottes, des allmaechtigen Vaters, von dannen er wiederkommen wird." Neuapostolische Christen glauben diese Inhalte ohne Abstriche und ohne symbolische Deutungen. Wenn nun die biblisch eindeutig bezeugten Glaubenssaetze von der Zeugung Jesu durch den Hl. Geist, von seiner Geburt durch die Jungfrau Maria oder von seiner tatsaechlichen Auferstehung nicht mehr geglaubt werden, wenn Jesus Christus nicht mehr als der wahrhaftige Sohn Gottes gesehen wird, wenn das baldige Wiederkommen Christi grossenteils verneint wird, dann stellt sich daraus nach unserer Auffassung nicht die Frage nach "Sekte" oder "Nicht-Sekte", sondern nach der Bewertung christlicher Inhalte ganz allgemein. Niemand sollte uns deshalb eine fanatische, fundamentalistische Auslegung der Schrift vorwerfen, weil wir christliche Ueberzeugungen als biblische Wahrheiten anerkennen.

Bemerkung:
Gerade um die "Bewertung christlicher Inhalte ganz allgemein" geht ist in der NAK nicht und ist es nie gegangen. Nehmen wir das von Johanning angefuehrte Beispiel der Jungfrauengeburt. Maria habe Jesus im Zustand der Jungfraeulichkeit durch den Heiligen Geist empfangen und geboren. Und neuapostolische Christen glauben "diesen Inhalt ohne Abstriche und ohne symbolische Deutungen" (s.o.). In welcher Publikation hat sich die NAK denn zu dieser Frage einmal geaeussert? In keiner! Wer aber einen solchen "Glaubensinhalt" nicht glaubt (!) ist aus Sicht der NAK-Fuehrung bereits ein Zweifler, der nichts empfaengt, der auf dem besten Weg ist, den schmalen Pfad zu verlassen, sich der Welt gleichzustellen. Und dieses Beispiel zeigt deutlich, worum es in der Neuapostolischen Kirche geht: eben nicht um das Verstehen (!) biblischer Texte und damit um ein "Ringen" nach christlichen Ueberzeugungen, sondern um ein blindes "Glauben". Dass in diesem Vortrag gerade auch die Jungfrauengeburt angesprochen wird, zeigt das typische Verhalten gewisser christlicher Kreise, naemlich ihren "Glauben" an die Historizitaet solcher "Wunder" als Beleg fuer ihren "wahren und echten Glauben" hinzustellen und das Bestreiten solcher "Wunder" als Zeichen des Unglaubens anderer zu bewerten.

Damit aber nimmt sie gerade diejenigen Menschen nicht ernst, die mit bestimmten dogmatischen Lehren ihre berechtigten Zweifel haben. Und sie nimmt damit letztlich auch die Bibel nicht ernst, die geschichtlich ergangene Wortoffenbarung Gottes und die theologischen Bemuehungen um reflektierende Entfaltung der urchristlichen Glaubenszeugnisse.

Am Beispiel der Frage nach der Jungfrauengeburt will ich dies verdeutlichen:

Es gibt ZWEI TRADITIONSSTROEME im Urchristentum in bezug auf die Frage nach der Goettlichkeit Jesu:
a) DAVIDSSOHNSCHAFT des Messias: um zu zeigen, dass Jesus der Messias aus dem Geschlecht David ist, werden in den Evangelien Stammbaeume mitgeteilt, an deren Ende Joseph (!) zu finden ist.
b) JUNGFRAUENGEBURT in Anlehnung an eine alttestamentliche Stelle ("Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebaere, den wird sie nennen Immanuel", Jes. 7,14).

Beide Traditionsstroeme liefen nebeneinander und sind natuerlich widerspruechlich, schliessen sich gegenseitig aus. Dieses SPANNUNGSVERHAELTNIS wird auch im Neuen Testament an einigen Stellen deutlich...

Im JOHANNESevangelium findet sich keine Spur von der Jungfrauengeburts-Legende. Konsequent wird daran festgehalten: Jesus ist der Sohn Josephs! Im MARKUSevangelium - dem aeltesten (!) Evangelium - taucht weder etwas von der jungfraeulichen Geburt noch etwas von der davidischen Herkunft Jesu auf. Von Joseph ist gar nicht die Rede. PAULUS erwaehnt weder Maria noch Joseph. Fuer ihn wurde Jesus voll und ganz Mensch, weil er so die Menschheit erretten koenne (Gal. 4,5).

Worum geht es also bei der nachoesterlichen (!) Ueberlieferung der Jungfrauengeburt? Die Jungfrauengeburt - wie auch die Davidssohnschaft – sollen Jesus als den verheissenen Messias, den Sohn Gottes verkuendigen. Die Jungfrauengeburt war zunaechst auch nicht (!) biologisch gemeint. Es war eine "ausserordentliche Formulierung", um die "ausserordentlichen" Erfahrungen mit Jesus, dem Auferstandenen zu formulieren.

In diesem Sinne verstanden, ist die Formulierung des Glaubensbekenntnisses "...geboren von der Jungfrau Maria..." durchaus "tragbar". Es bleibt die Frage, weshalb die jungfraeuliche Geburt als Zeichen oder Symbol von Goettlichkeit verstanden wurde.

Religionsgeschichtliche Forschungen zeigen, dass die Idee von der jungfraeulichen Geburt eines Gottes oder Heilsbringers ausserhalb des Christentums weit verbreitet war. "Sicher ist ..., dass der Mythos von der Jungfrauengeburt in der ganzen Antike verbreitet war und sich sogar ... in Persien, Indien und in Suedamerika findet: es ist also keineswegs etwas spezifisch Christliches" (H. Kueng, Christ sein, 445).

Ein weiterer Aspekt zur oben zitierten Jesajastelle ("Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebaere, den wird sie nennen Immanuel", Jes. 7,14):
"Das in dem Jesaja-Vers genannte hebraeische Wort "almah" kann sowohl "Jungfrau" als auch "junge Frau" bedeuten. Der Urtext macht dazu keine klare Aussage, wichtig ist nur, dass ein Knabe zur Welt kommen soll. In der griechischen Uebersetzung des Alten Testaments, der "Septuaginta", wird das hebraeische Wort "almah" nun aber als "parthenos" wiedergegeben, und heisst eindeutig "Jungfrau". Matthaeus hat, wie auch die anderen neutestamentlichen Autoren, bei Zitaten aus dem Alten Testament nicht den Urtext, sondern die Septuaginta zugrunde gelegt... Auf jeden Fall bildet hier die (mittelbare) Bezeichnung der Mutter Jesu als "Jungfrau" neben den entsprechenden Stellen bei Lukas, terminologisch die Basis fuer die spaetere Lehre von der Jungfrauengeburt in der katholischen Kirche" (Stamer, 32).

Wer also unreflektiert und unbegruendet auf der Jungfrauengeburt beharrt und stolz verkuendet, neuapostolische Glaeubige glaubten dies uneingeschraenkt und nicht symbolisch, der verkennt voellig den kerygmatischen Charakter neutestamentlicher Zeugnisse und die Bemuehungen der historisch – kritischen Forschung in diesen Fragen. Er wiederholt damit ausserdem den Fehler der katholischen Dogmatiker, bei denen aus der Dogmatisierung der Jungfrauengeburt weitere unchristliche Dogmen erwachsen sind (jungfraeuliche Empfaengnis Mariens = Maria sei ohne Erbsuende geboren worden; Himmelfahrt Mariens = Marias erbsuendefreier Koerper sei nicht verwest, sondern direkt in den Himmel aufgefahren).

- Die Zuordnungskriterien, die eine Glaubensrichtung auf die Liste sog. "Sekten" setzen, sind sehr vage und ungenau. Darunter zaehlen etwa: Geringe Anzahl von Mitgliedern; Abspaltung von einer etablierten Kirche; fehlende staatliche Anerkennung; exklusiver Heilsanspruch; autoritaere Fuehrung; Berufung auf ausserbiblische Lehren. Es wird schnell erkennbar, dass solche Zuordnungen ebenfalls den jeweiligen subjektiven Standpunkt widerspiegeln und keineswegs ein-eindeutig sind. Im katholischen Katechismus heisst es etwa, Zitat: "Die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen, [...] ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger des Petrus und von den Bischoefen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird, auch wenn sich ausserhalb ihres Gefueges vielfaeltige Elemente der Heiligung und der Wahrheit finden"; Zitat Ende (Katechismus der Katholischen Kirche; Muenchen 1993). Einen gewissen Exklusivitaetsanspruch hat unsere Kirche zweifellos; folglich bewertet man uns als "Sekte" – die Katholische Kirche hingegen nicht.

Bemerkung:
Die Neuapostolische Kirche hat sich immer verstanden als das "Werk Gottes der Endzeit". Die Mitgliedschaft in dieser Kirche ist notwendige Voraussetzung zur Teilnahme an der "Ersten Auferstehung". Selbst altestamentliche Propheten und herausragende christliche Persoenlichkeiten wie Luther (!) oder Francke (s.o.) und v. Bodelschwingh (s.o.) muessten sich nach neuapostolischer Auffassung zunaechst einmal in den neuapostolischen Entschlafenengottesdiensten taufen und versiegeln lassen und auch lebende Christen, die dem neuapostolischen Glauben beitreten wollen, muessen die in ihren Kirchen vollzogene Taufe von einem neuapostolischen Apostel bestaetigen lassen. Auf diesem Hintergrund ist es sehr euphemistisch, zu sagen, die NAK habe einen "gewissen Exklusivanspruch".

Hier ist nicht der Raum, um eine erneute Sekten – Diskussion auszubreiten, allerdings ist es lohnenswert, diese Frage weiterhin im Auge zu behalten. Deshalb sei als Kontrapunkt zu den Ausfuehrungen Johannings (vgl. auch den Artikel "Ist die Neuapostolische Kirche eine Sekte?" auf der HP der NAKI) folgender Auszug aus Erlaeuterungen zum Sektenbegriff von Dr. Andreas Fincke (EZW, 1999) angefuehrt:

"Es gibt ein Geflecht von Kriterien. Wenn mehrere zutreffen, dann wird man sagen koennen, dass die jeweilige Gruppe in der Gefahr steht, zu "versekten":

- Die Gruppe ist klar ausgerichtet auf eine Fuehrerfigur oder Fuehrerideologie.

- Sie bindet ihre Anhaenger eng an sich bzw. an das eigene Heilskonzept.

- Es gibt kein soziales oder diakonisches Engagement.

- Die Gruppe sieht sich von Feinden umstellt und weiss eher zu sagen, wogegen sie ist, als wofuer sie eintritt.

- Kritik ist weder innerhalb noch von aussen moeglich. Wer Fragen stellt, wird gemieden oder verteufelt.

- Wer die Gruppe verlassen will, wird bedroht; Aussteiger oder Abtruennige werden tyrannisiert.

Der Begriff "Sekte" darf nicht als "Kampfbegriff" verwendet werden, um kleinere Religionsgemeinschaften oder Andersdenkende zu stigmatisieren. Es gibt jedoch Gruppen und Gemeinschaften, die sich selbst absolut setzten, so tun, als haetten sie Gott oder den Heiligen Geist gepachtet und Menschen mit problematischen Versprechungen abhaengig machen. Hier muss man sich nicht wundern, wenn die Oeffentlichkeit von "Sekte" redet."

Der Wunsch, aus der "Sektenecke" herauszukommen, kann sich nur erfuellen, wenn die gegenwaertige Fuehrung der NAK die seit Jahrzehnten erhobenen Vorwuerfe gegen die Neuapostolische Kirche ernst nimmt und durch ueberzeugendes Handeln entkraeftet. Verbale Spiegelgefechte reichen da sicher nicht aus...

Unsere Kirche ist derzeit weder in oekumenische Verbaende, Dachorganisationen oder andere Zusammenschluesse eingebunden. Die Haltung der grossen Kirchen uns gegenueber stellt sich momentan als durchaus zwiespaeltig dar; zum einen werden oekumenische Offenheit und Gespraechsfaehigkeit angemahnt (Dr. Andreas Fincke, EZW), zum anderen empfinden wir auch Distanz und Abwehrhaltungen uns gegenueber. Wichtig ist, dass wir derzeit auf Kirchenleitungsebene einen Anschluss an die Oekumene diskutieren - eine entsprechende Arbeitsgruppe ist Ende Oktober gegruendet worden. Ob sich aus dieser Diskussion das von Prof. Obst gewuenschte "Zweite Vatikanische Konzil fuer die Neuapostolische Kirche" ergibt, vermag ich heute noch nicht zu beurteilen.

Bemerkung:
Vermutlich meint Johanning mit "Kirchenleitungsebene" die Bezirksapostel mitsamt dem Stammapostel? Interessant in diesem Zusammenhang ist wiederum, dass solche gravierenden Veraenderungen – wie die moegliche Mitarbeit in der Oekumene – nur auf hoechster Ebene und hinter verschlossenen Tueren ohne Informationen an die Gemeinden stattfinden. Der einzige klitzekleine Hinwies darauf findet sich in dem Buch "Maranatha", das anlaesslich des 10-jaehrigen Dienstjubilaeums des Stammapostels herausgegeben wurde

Die von Johanning genannte "Haltung der grossen Kirchen uns gegenueber" ist so nicht ganz richtig. Die Haltung der grossen Kirchen uns gegenueber" sollte deutlich praezisiert werden. Welche Anstrengungen hat die NAK – Fuehrung unternommen, mit den "grossen Kirchen" auf allen (!) Ebenen ins Gespraech zu kommen? Wenn man jahrzehntelang Gespraechen ausgewichen ist, kircheneigene Literatur nicht zugaenglich und die eigene Kirchengeschichte bewusst verfaelscht hat, wenn man nicht einmal intern den eigenen Mitgliedern gegenueber offen und gespraechsbereit war, ihnen wichtige Informationen vorenthaelt usw., ist es da wirklich berechtigt, den "grossen Kirchen" irgendwelche Vorhaltungen zu machen?

Bevor die neuapostolische Kirchenleitung also den "grossen Kirchen" etwas vorhaelt, sollte sie erst einmal ihre Hausaufgaben machen und fuer Offenheit, Toleranz, Gespraechskultur und eine transparente Informationspolitik innerhalb der Kirche sorgen. Es kann doch nicht sein, dass ein Kirchenmitglied durch das Internet und den Buechermarkt besser informiert wird als durch die eigene Kirchenleitung.

Aus dem Gesagten folgt: Die Neuapostolische Kirche ist keine Sekte! Wir sehen uns eher als christliche Freikirche, wobei ich Ihnen an dieser Stelle weitere Definitionen en detail schuldig bleiben moechte. Statt dessen will ich noch einmal auf das eingangs erwaehnte Raabe-Zitat zu sprechen kommen: Christliche Toleranz im eigenen Haus ist ein hohes, nicht ohne Opfer zu erwerbendes Gut. Sie ist aber eine notwendige Voraussetzung fuer die von Raabe angemahnte Menschenliebe und Achtung vor dem Fremden, ohne die Naechstenliebe nicht entstehen kann.

Bemerkung:
Das klingt interessant. Also ist die Neuapostolische Kirche nicht mehr "Gottes Werk", "die (!) Kirche Christi", "das (!) Erloesungswerk unseres Gottes"? Leider geht Johanning nicht weiter auf diese neue "Definition" ein. Uebrigens fehlt ein Hinweis auf diese Neudefinition des neuapostolischen Kirchenverstaendnisses im UF–Artikel ueber diese Veranstaltung...

2. Die Neuapostolische Kirche heute: Zahlen und Organisation
Gehen wir weiter auf den gegenwaertigen Stand der Kirche ein. Heute ist die Neuapostolische Kirche weltweit verbreitet. Folgendes Zahlengeruest stellt sich dar: Die Kirche ist vertreten in ueber 190 Staaten bzw. Staatengebilden in aller Welt. Weisse Flecken gibt es in Laendern mit diktatorischen oder kommunistischen Regimen (z.B. VR Korea). Das Wachstum der Kirche in den letzten 10 Jahren ist immens; ich will Ihnen gern diesen relativ kurzen Zeitraum anhand von Zahlen schildern:


 
Gemeinden:
Mitglieder:
Amtstraeger:

1989
50.000
5.2 Mio.
120.000

1994
60.000
8.2 Mio.
193.000

1998
66.000
9.5 Mio.
240.000

Innerhalb dieses Zehn-Jahres-Zeitraumes hat sich die Kirche nahezu verdoppelt. Derzeit liegt das Wachstum bei den Mitgliedern jaehrlich bei etwas ueber drei Prozent, groesstenteils in Afrika. In Europa verzeichnen wir einen leichten Anstieg, in Deutschland einen leichten Rueckgang bei den Mitgliedern. Dies hat uebrigens nichts mit den gelegentlich unterstellten Massenaustritten zu tun (solche gibt es nicht), sondern mit demographischen Komponenten: Geburtenschwache Jahrgaenge, kleinere Familienstrukturen.

Bemerkung:
Klar, die Zeiten der kuscheligen "kleinen Herde" sind vorbei. Was heute angesagt ist: "Erfolgsmeldungen" und Zuwachszahlen. Natuerlich versteht es sich von selbst, dass nur die Erfolgszahlen genannt werden, denn der quantitative Erfolg wird als goettlicher Segen interpretiert und seit einigen Jahren auch als Zeichen dafuer, die "wahre" Kirche zu sein... Der Rueckgang in Deutschland wird zwar in diesem oeffentlichen Vortrag genannt (Johanning konnte sich sicher vorstellen, dass ansonsten eine diesbezuegliche Nachfrage aus dem Auditorium gekommen waere), allerdings nicht praezise genug und mit einer fadenscheinigen Begruendung. Diese Information ueber den Rueckgang in Deutschland ist uebrigens vollstaendig im UF–Artikel gestrichen worden!!!

Holen wir die genauen Zahlen fuer Deutschland also an dieser Stelle nach und hinterfragen ein wenig die von Johanning gegebenen Begruendungen fuer den Rueckgang:
1993 hatte die Neuapostolische Kirche ca. 430.000 Mitglieder in Deutschland (Quelle: EZW). Gegenwaertig sind es 395.000 (Quelle: REMID). Das ist ein Rueckgang von 8,1 % in 8 Jahren! Und dabei sind lediglich die tatsaechlichen Austritte beruecksichtigt und nicht der wirkliche Rueckgang der aktiven Mitglieder. Viele verlassen die Kirche ohne den Weg zur zustaendigen Behoerde zu gehen und auch formal den Austritt zu erklaeren.

Hierbei von einem "leichten Rueckgang" zu sprechen halte ich fuer sehr optimistisch. Die im Internet zugaenglichen Statistiken des Statistischen Bundesamtes zur deutschen Bevoelkerung lassen die von Johanning erwaehnte demographische Begruendung des Mitgliederrueckgangs wenig glaubhaft erscheinen. Und es stellt sich die Frage: Warum sollten sich die Mitgliederzahlen in Deutschland anders verhalten als im uebrigen Europa?

Kommen wir abschliessend auf die in NAK–Kreisen verbreiteten Auffassung zu sprechen, am weltweiten Mitgliederzuwachs erkenne man den Segen Gottes und die Tatsache, dass die Neuapostolische Kirche die wahre Kirche Christi sei. Waere dem so, dann haette die NAK–Leitung ihren Mitgliedern auch folgende Tatbestaende zu erklaeren:
1. Im Sueden Afrikas gibt es die "Old Apostolic Church". Sie geht auf Apostel Klibbe zurueck, der 1913 von Niehaus exkommuniziert wurde. Diese "Old Apostolic Church" hat gegenwaertig ca. 5 Millionen Mitglieder.
2. Weltweit verzeichnen die Pfingstgemeinden den mit Abstand groessten Zuwachs. Mittlerweile zaehlt man weltweit 500 Millionen Mitglieder, die sich zu Pfingst–Gemeinden bekennen.
3. Mormonen, Adventisten und Zeugen Jehovas zeigen mit geringem Abstand ein aehnliches Wachstum wie die NAK.
4. In den meisten "Dritte–Welt–Laendern" sind Doppel- und Mehrfachmitgliedschaften in verschiedenen Kirchen moeglich. Diesem Sachverhalt kommt man am besten auf die Spur, wenn man einmal die Mitgliederzahlen der Kirchen aus solchen Laendern addiert. Nicht selten ergeben sich bis zu 50% hoehere Zahlen als das entsprechende Land ueberhaupt Bewohner hat...

Lassen sie mich auch etwas ueber die Organisationsstruktur der Kirche sagen:

- Die Neuapostolische Kirche ist hierarchisch organisiert; die Aemterfolge kennen Sie vermutlich. Christus ist das Haupt der Kirche, die vom Stammapostel zusammen mit den Aposteln geleitet wird. Der Stammapostel entscheidet ueber alle Angelegenheiten, die die Gesamtkirche betreffen, vornehmlich in Fragen der Lehre und Seelsorge. Zur Entscheidungsfindung bedient er sich der Bezirksapostelversammlung oder anderer von ihm eingesetzter Gremien. Die Gemeinden werden von priesterlichen Aemtern seelsorgerisch betreut - der prozentuale Anteil des Priester- und des Diakonenamtes innerhalb der Neuapostolischen Kirche ist mit ueber 90% uebrigens erstaunlich hoch. In dieser hierarchischen Struktur stehen sich Gemeinden und Amtstraeger nicht isoliert gegenueber, sondern durchdringen sich. Ein Grund dafuer ist, dass die Neuapostolische Kirche eine Gemeinschaft theologischer Laien ist, und es gibt im Verhaeltnis zur Mitgliederzahl einen angenehm hohen Anteil von Amtstraegern (weltweit kommt auf 41 Mitglieder ein Amtstraeger).

Bemerkung:
"Christus ist das Haupt der Kirche" – darf daran erinnert werden, dass dies eine Neuerung ist, die erst 1997 (!) klammheimlich in die "Richtlinien fuer Amtstraeger" eingearbeitet wurde? Natuerlich hat man davon offiziell dem Kirchenvolk nichts bekannt gegeben, obwohl doch die UF seit einigen Jahren den Zusatz "offizielles Organ der NAK" traegt.

Text in den Richtlinien fuer Amtstraeger:
"Als sichtbares Haupt der Kirche Christi bestimmte Gott damals den Apostel Petrus, heute den Stammapostel..." (S. 14)

Text der 1. Aenderungsmitteilung vom September 1997:
"Haupt der Kirche Christi ist Jesus, der Sohn Gottes. Der Stammapostel ist das Haupt aller Apostel" (S. 2)

- Das neuapostolische Gemeindeleben ist praxisorientiert und lebensnah. Auf eine theologische Ausbildung und Schulung unserer Amtstraeger haben wir bislang weitgehend verzichtet, doch auch in diesem Punkt hat uns die Wirklichkeit eingeholt, wie Prof. Obst in seinem Buch richtig beobachtet. Die Neuapostolische Kirche betreibt heute in 16 Projektgruppen Studien zu theologischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Fragestellungen, deren Ergebnisse nach und nach die einzelnen Amtsstufen und Gemeinden erreichen und in den Katechismus der Neuapostolischen Kirche "Fragen und Antworten" eingearbeitet werden – eine Fuelle von Aufgaben also.

Bemerkung:
Wir sollten das "nach und nach" einmal zeitlich konkretisieren. Bisher sind die Ergebnisse der "Projektgruppen" so gut wie gar nicht bis auf die Gemeindeebene gedrungen, geschweige denn, dass es kircheninterne Diskussionsphasen geben wuerde. Hier trifft sehr schoen der von Obst (!) mitgeteilte Vergleich zu: Die neuapostolischen Gemeindemitglieder werden noch immer an der Leine gehalten, auch wenn die Leine ein wenig laenger geworden zu sein scheint.

Nach Johanning habe die NAK "weitgehend" (!) auf die theologische Ausbildung der Amtstraeger verzichtet. Richtiger ist wohl: vollstaendig verzichtet und nicht nur fuer unnoetig erachtet, sondern fuer schaedlich. Gaengige Argumentation war, dass Jesu Juenger lediglich einfache Leute waren (Fischer usw.). Paulus blieb bei diesen "Ueberlegungen" genauso unberuecksichtigt wie die Tatsache, dass die damaligen Juenger die beste "theologische Ausbildung" hatten, die man sich vorstellen kann...

3. Die Neuapostolische Kirche heute: Kirchliche Oeffentlichkeitsarbeit
Lassen Sie mich auch etwas sagen zu den Anstrengungen unserer Kirche im oeffentlichen Bereich, da sich daraus gewissermassen die Legitimation fuer meine Stelle ergibt. Unsere kirchliche Oeffentlichkeitsarbeit ist in den letzten Jahren erfreulich gewachsen und hat mittlerweile ein ansehnliches Mass erreicht. Einige Stichpunkte dazu:

- Die Homepage der Neuapostolischen Kirche International im Internet wird pro Monat von etwa 10.000 Menschen abgerufen, wobei der Multiplikationsfaktor dieses Mediums weit hoeher liegt. Die User kommen aus mehr als 70 Laendern, darunter so exotischen wie den Cayman-Inseln oder das uns verschlossene Nordkorea. In Kuerze werden alle neuapostolischen Gebietskirchen (weltweit sind das 25) ihre nationalen Informationen im Internet zur Verfuegung stellen.

Bemerkung:
Sowohl ueber die Struktur der offiziellen Homepages der NAKI als auch der Gebietskirchen sollten wir noch ein wenig sinnieren (genauso wie ueber die Sichtweise des "hoechsten Repreaesentaten Gottes auf dieser Erde" (dem Stammapostel) zu diesem nicht mehr ganz neue Medium "Internet").

1. Es gibt kein Gaestebuch. Das ist im Vergleich zu anderen Webseiten ungewoehnlich, aber aufschlussreich. Deutet es doch die Unfaehigkeit an, mit abweichenden Meinungen umzugehen...
2. Die Links auf andere Homepages sind lediglich Verweise auf die Seiten der Gebietskirchen. Die wiederum repetieren lediglich die Aussagen der NAKI–HP.
3. Es fehlen also z.B. Links zu anderen apostolischen Gruppierungen oder christlichen Kirchen, selbst ein sinnvoller Link auf die Online–Bibel der ab 2001 in der NAK gueltigen Lutheruebersetzung von 1984 fehlt.
4. Selbst Verweise auf private Homepages von NAK–Mitgliedern fehlen. Nicht einmal zu diesem minimales Zeichen von Offenheit ist die internationale NAK–Leitung faehig.
5. Praesenz im Internet zu zeigen soll Offenheit suggerieren. Fehlende Links auf andere HPs mit christlichen, biblischen bzw. apostolischen Themen und ein nicht vorhandenes Gaestebuch verdeutlichen dann aber den wirklichen inneren Zustand der Kirchenfuehrung, der mmer noch durch mangelnde Dialogfaehigkeit gekennzeichnet ist.
6. Interessant duerfte der Artikel "Warum keine Kritiker-Links?" sein, den der "Leiter der Betreuungsgruppe Jugend", Juerg Meier (Schweiz; eine Auseinandersetzung mit diesem Artikel kann man nachlesen auf der HP der FdrJ) verfasst hat. Schlimm erscheint mir daran, dass neuapostolischen Mitgliedern fuer das Betreiben einer privaten HP nahegelegt wird, ihren Web–Seiten ebenfalls keine Links zu kritischen NAK–Seiten hinzuzufuegen.

- Unsere Kirchenzeitschrift und andere Publikationen koennen auch von Nicht-Mitgliedern abonniert bzw. gekauft werden – Ausnahme sind Schriften, die fuer bestimmte Personenkreise erstellt werden, wie etwa das Richtlinienbuch fuer Amtstraeger.

Bemerkung:
Wahrlich ein gewaltiger Schritt. Vielleicht sollte man aber darauf hinweisen, dass der FB–Verlag, immerhin der kircheneigene Verlag der Neuapostolischen Kirche, es auf der Frankfurter Buchmesse im vergangenen Jahr tunlichst vermieden hat, als NAK–Verlag "enttarnt" zu werden. Nirgendwo war ein Anzeichen dafuer zu finden, dass ein Zusammenhang mit der Neuapostolischen Kirche besteht. All die Buecher, die man dem "gemeinen Kirchenvolk" seit Jahrzehnten zum Kauf anbietet und auch die Kirchenzeitschrift "Unsere Familie" (Bezirksapostel: "Die gehoert in jeden neuapostolischen Haushalt!") war dort nicht zu erhalten oder auch nur praesentiert. Praesentiert hat sich der Bischoff–Verlag dort als allgemein-christlicher Verlag, der vor allem Buecher fuer (Klein-) Kinder herausgibt (Bobby-Buecher).

- Mit Zeitungsberichten ueber besondere Gemeinde- oder Bezirksanlaesse erreichen wir im Bundesgebiet statistisch etwa 2 Millionen Leser pro Monat; dennoch ist unsere Kirche noch zu wenig bekannt. Die Strategie, wenn man denn von einer sprechen moechte, geht also dahin, sich verstaerkt der Massenmedien zu bedienen. Wir tun dies allerdings nicht um jeden Preis, sondern mit Bedacht und anlassbezogen. So hat unsere Kirche gerade vor einigen Tagen eine grosszuegige Spende fuer die Erdbebenopfer in der Tuerkei an das DRK uebergeben – davon ist ein kleiner Film gedreht worden, der als Ausschnitt im Fernsehen gezeigt werden soll.

Ich moechte uebrigens an dieser Stelle nicht den Eindruck einer Rechtfertigung erwecken. Es gibt zwar Tendenzen gegen uns, vor allem aus den Kreisen, die sich "Aussteiger" nennen. Das sind in aller Regel Mitglieder, die noch nicht ausgetreten sind, sondern als Noch-Mitglieder die Kirche reformieren wollen.

Bemerkung:
Faktisch stimmt dies nur, wenn man den "Aussteiger"–Kreis sehr stark eingrenzt (s.u.). Jeder mag sich aber anhand der kritischen Literatur davon ueberzeugen, dass dies grundsaetzlich nicht zutrifft. Sowohl im Internet als auch auf dem Buechermarkt sind sicherlich die Ex–Mitglieder in der Ueberzahl.

Aber Johanning macht das nicht ungeschickt. Zunaechst vermittelt er den Eindruck, bei "Aussteigern" handle es sich um reformfreudige Mitglieder (!), um im naechsten Gedankengang das "Gremium fuer besondere Angelegenheiten" (GfbA) als "Anlaufstelle" (!) fuer diese "kircheninternen Kritiker" zu praesentieren. Der Hoerer des Vortrags kann also denken: Nun ja, die neuapostolische Kirchenleitung zeigt nicht nur Praesenz in der Oeffentlichkeit (wie durch diesen Vortrag in Halle) sondern auch Gespraechs- und Reformbereitschaft im Innern der Kirche. Die NAK ist also eine reform- und gespraechsbereite Organisation auf ganzer Linie?

Betrachten wir dazu den Begriff "Aussteiger" – so wie ihn Johanning hier verwendet – etwas genauer und setzen wir ihn mit dem GfbA – sicher ganz im Sinne Johannings – in Beziehung. Beim letzen Treffen dieses Gremiums waren auf seiten der Kirchenleitung anwesend: Bezirksapostel Klingler und Wend, B.I. und P.J., auf Seiten der Kritiker S.D., H.W. und E.S., also drei "Aussteiger". Mindestens einer der drei "Aussteiger" ist aus der NAK ausgetreten. Somit hat PJ recht, wenn er sagt, diese "Aussteiger" seien zumeist (!) Mitglieder, "die noch nicht ausgetreten sind, sondern als Noch-Mitglieder die Kirche reformieren wollen". Rechentechnisch ist das natuerlich richtig, allerdings zumindest "wirkungsgeschichtlich" blanker Unsinn. Wie gesagt: man werfe einen Blick ins Internet oder in eine kritische Literaturliste und ueberzeuge sich davon...

Stammapostel Fehr hat im Dezember 97 eine Anlaufstelle fuer Gespraeche mit der Kirchenleitung geschaffen, das sog. "Gremium fuer besondere Angelegenheiten". Man hat uns gelegentlich mit dem Vorwurf bedacht, die Kirchenleitung sei nicht ansprechbar; nun gibt es dieses Gremium, das bereits mehrere Gespraechsrunden hinter sich hat.

Bemerkung:
Es war zu befuerchten, dass das "Gremium fuer besondere Angelegenheiten" instrumentalisiert werden wuerde. Die Tatsache, dass es ein solches gibt, ist dem "gemeinen" Kirchenmitglied erst durch eine Randnotiz in der UF mitgeteilt worden, als es gar nicht mehr anders ging, da die Existenz dieses Gremiums (auch) ueber das Internet bekannt wurde. Bei den Mitgliedern hat dies vor allem Aergerlichkeit hervorgerufen. Warum? Weil man diejenigen Kritiker, die man kirchenintern geschmaeht hat und als "Nestbeschmutzer" beschimpfte, ueber die innerhalb der Kirche die uebelsten Geruechte in Umlauf gebracht wurden, nun auf einmal Gespraechspartner von Bezirksaposteln und anderen "hochrangigen" NAK–Funktionaeren waren, obwohl sich gerade der Stammapostel ueber diese "Kritiker" in seinen Predigten oeffentlich sehr negativ geaeussert hat (vgl. seine Predigt 1999 in Hof).

Und mit Recht fragt man: Warum wird eine kritische Stimme erst wahrgenommen, wenn der Betreffende aus der Kirche ausgetreten ist oder oeffentlich ein kritisches Buch ueber die NAK publiziert hat? Interne Kritiker, die ihre Bedenken innerhalb der NAK und nichtoeffentlich aeusserten, wurden in der Regel abgeschmettert, bestenfalls hingehalten...

Das GfbA ist auch sicher keine "Anlaufstelle" (!) fuer kritische Mitglieder! Wer dies anders sieht, kann ja einmal den Versuch unternehmen, "anzulaufen". Anmeldungen koennen erfolgen unter: PeterJohanning@compuserve.com

Der lauter gewordenen Kritik an den kirchlichen Strukturen steht also ein ebenso deutlich gewachsenes Kritikbewusstsein gegenueber. Kritikfaehigkeit aber will gelernt sein, und alle Menschen haben ihre Schwierigkeiten damit. Konstruktive Kritik ist zwar eher selten, jedoch umso wertvoller. Im Pfingstgottesdienst 98 sagte der Stammapostel dazu: "Berechtigte Kritik nehmen wir zu Herzen, unberechtigte zur Kenntnis!" Wie gesagt, an dieser Stelle moechte ich mich nicht rechtfertigen, sondern eher Mitverantwortung erkennen lassen. Der Weg in den Dialog, in eine Gespraechs- und Informationskultur ist geoeffnet worden.

Bemerkung:
Nicht ganz ungeschickt versucht Johanning ein neueres Stammapostelzitat – das inhaltlich eigentlich ziemlich trivial ist und selbstverstaendlich sein sollte – in der Oeffentlichkeit zu etablieren. Nach der medialen Pleite und oeffentlichen Blamage mit Fehrs beruehmten Zitat "Das Wort Kritik steht nirgends in der Bibel. Also hat es bei uns im Werke Gottes auch nichts zu suchen" ist das wohl auch noetig. Allerdings lohnt es sich, sich die Wirkung eines solchen Stammapostelwortes noch einmal vor Augen zu fuehren. Deshalb zunaechst einmal vier Zitate:

I. Stammapostel Fehr am 17. 3. 1991:
"Das Wort "Kritik" kommt nicht ein einziges Mal in der Heiligen Schrift vor! Ich habe in einigen Konkordanzen nachgeschaut: Das Wort "Kritik" steht nirgends in der Bibel. Also hat es bei uns im Werke Gottes auch nichts zu suchen."

II. Stammapostel Fehr am 18. 5. 1997:
" ... ist die Kritik begruendet, so nehmen wir sie zu Herzen, ist sie unbegruendet, nehmen wir sie zur - das ist ein Unterschied - ... Kenntnis!"

III. Bezirksapostel Renè Higelin am 18. 5. 1997:
" ... Diskutieren ist Weltproblem. – Der liebe Stammapostel sprach auch noch von Kritik. Das Wort "Kritik" gibt's nicht im Evangelium, das haben die Menschen erfunden. Darum brauchen wir das gar nicht erfinden und ins Werk zu importieren, nein, das bleibt draussen."

IV. Bezirksapostelhelfer Horn am 14. 3. 1999:
"Die Gebete des Stammapostels, das Ringen um ein Wort, das fuer die Gemeinde, die er bedient, bestimmt ist, das ist keine einfache Sache. Es muss ja der Geist Gottes sein, der durch ihn spricht. Deshalb ist es fuer mich voellig unverstaendlich, dass es Menschen wagen, Kritik am Wort Gottes zu ueben, denn es ist ja nicht das Wort eines Menschen, obwohl der Stammapostel ein Mensch ist, sondern das Wort Gottes!"

Pfingsten 1997 unternimmt Fehr also den Versuch, vor der gesamten neuapostolischen Oeffentlichkeit seinen verunglueckten Ausspruch von 1991, seitdem wohl in jeder Publikation ueber die NAK zitiert, wieder rueckgaengig zu machen (begruendete Kritik wird zu Herzen genommen, unbegruendete Kritik zur Kenntnis). Im Mitdienen spult Bezirksapostel Higelin – als wenn er die ganze Zeit geschlafen haette – das alte (!) Stammapostelzitat noch einmal ab. Im nachfolgenden Dienen versucht Fehr uebrigens, Higelins Co-Predigt zu korrigieren bzw. zu relativieren – ein in NAK–Kreisen schon ziemlich seltener und ungeheuerlicher Vorgang. In der betreffenden Ausgabe der UF wurde die Aussage von Higelin dann uebrigens gaenzlich gestrichen. Nun sollte man annehmen, dass zumindest seither jeder hochrangige Amtstraeger "den Schuss" gehoert hat. Wie das Zitat von Bezirksapostelhelfer Horn von 1999 (!) zeigt, ist dem aber nicht so. Da muss wohl auch der Stammapostel einsehen, dass die in NAK – Gottesdiensten gerne genannte "Weisheit" auch auf seine Worte zutrifft: Drei Dinge kann man nicht mehr zurueckholen: einen abgeschossenen Pfeil, ein gesprochenes Wort und eine verpasste Gelegenheit.

4. Die Neuapostolische Kirche morgen
Es gibt groessere Herausforderungen, denen sich die Neuapostolische Kirche in den kommenden 2 bis 3 Jahren stellen muss. "Tempus fugit" – die Zeitverhaeltnisse aendern sich z.T. dramatisch. Was noch vor Jahren fast ehernes Gesetz war, ist heute oft nicht mehr als eine Reminiszenz an vergangene Zeiten. Was gilt es zu tun, damit sich die Neuapostolische Kirche im naechsten Jahrtausend so erfreulich weiterentwickeln kann? Kurz einige Stichworte dazu:

Bemerkung:
Da wird's wieder interessant. Aber sogleich bricht Johanning diesen Gedankengang ab. Was waren bzw. sind das fuer "eherne Gesetze", die (angeblich) heute nicht mehr als eine "Reminiszenz an vergangene Zeiten" sind? Und auf welche Zeitverhaeltnisse spielt Johanning an, die sich angeblich "dramatisch" geaendert haben? Gerade in bezug auf die NAK hat sich nur eines "dramatisch" geaendert: Die internen Kritiker und Ex–Mitglieder gehen an die Oeffentlichkeit und informieren. Informieren ueber das, was innerhalb der Kirchenmauern passierte und immer noch passiert. Und nun kann die NAK–Fuehrung nicht mehr agieren (oder sagt man besser rumwurschteln?), sie muss (!) reagieren, damit sich der abzeichnende Mitgliederschwund (Austritte) und vor allem das lautlose Wegbleiben vieler (ohne ausdruecklichen Austritt) nicht weiter fortsetzt. Dass die NAK–Fuehrung den ueber Jahrzehnte angehaeuften Reformstau erkennt bzw. dessen Auswirkungen hat Fehr praezise und unnachahmlich zusammengefasst (allerdings als Vorwurf gemeint und formuliert): Vielen wird vieles zuviel! – Ja, lieber Richard, warum wohl?

Der enorme Rueckgang der aktiven Mitglieder in der NAK Deutschlands laesst sich auch sehr gut an der Aufloesung bzw. Zusammenlegung von Kirchengemeinden ablesen und an dem Verkauf von Kirchengebaeuden – davon berichtet natuerlich das "offizielle Organ" nicht.

- Die Diskussion ueber eine Mitarbeit in der Oekumene – national und international – sorgt schon jetzt fuer eine Horizonterweiterung bei den kirchlichen Aussagen.

Bemerkung:
Diesen Satz muss man einfach mehrmals lesen: "Die Diskussion ueber eine Mitarbeit in der Oekumene – national und international – sorgt schon jetzt fuer eine Horizonterweiterung bei den kirchlichen Aussagen."

Wenn schon lediglich die Diskussion ueber eine eventuelle Mitarbeit in der Oekumene fuer eine Horizonterweiterung bei dem Stamm- und den Bezirksaposteln fuehrt, welche hervorragende Sicht koennte man da erlangen, wenn man sich ueberhaupt einmal mit religioesen, biblischen oder gar theologischen Fragestellungen auseinandersetzen oder sich ein entsprechendes Buch zu Gemuete fuehren wuerde?

- Es wird weitere Anstrengungen kosten, aus der "Sektenecke" herauszukommen, in die wir nicht hineingehoeren. Unsere Mitglieder haben Anspruch auf eine faire Beurteilung durch die Oeffentlichkeit.

Bemerkung:
Wer hat denn die "Kirche" in diese Ecke manoevriert? Es waren die einzigen, die mit und in der Neuapostolischen Kirche Geld verdienen! Und "unsere Mitglieder" (auch die Gemeinde–Amtstraeger) haben auf noch ganz andere Dinge Anspruch:

- auf eine gescheite Informationspolitik und auf Offenheit ueber geplante Veraenderungen in der Lehre.

- auf Transparenz und Offenlegung der Finanzen, den Umgang mit den Opfergeldern, die 10 Prozent des Netto- (oder besser noch: Brutto-) Gehaltes der Mitglieder ausmachen.

- auf eine Aufarbeitung der eigenen Geschichte, die nicht versucht, durch Verbiegungen und platte Luegen historische Tatsachen zu verdrehen.

- auf eine "erwachsene" Darstellung der apostolischen (!) Lehre.

- Die Unterweisung von Amtstraegern wird fortgesetzt und verstaerkt werden; Ausgangspunkt ist letztlich die zentrale Fragestellung: Was muessen wir tun, damit sich neuapostolische Mitglieder auch weiterhin fuer ihren Glauben begeistern und sich in ihren Gemeinden wohlfuehlen koennen?

Bemerkung:
1. PJ hat eine Formulierung gewaehlt, die den Anschein erwecken soll, neuapostolische Amtstraeger wuerden schon seit Jahren geschult. Das aber ist nicht richtig! Hier und da hat man den einen oder anderen Versuch unternommen, aber eine durchgaengige "Schulung" wurde rundweg abgelehnt mit dem Verweis darauf, dass der Heilige Geist unmittelbar durch die Amtstraeger wirke. Und das Beste kommt noch: in dieser oeffentlichen Veranstaltung in Halle wird also das erstemal verkuendet, dass "Schulungen" unumgaenglich sind. Wie wuerde Johanning eigentlich reagieren, wenn er ueber Dritte erfuehre, dass er von Fehr demnaechst auf eine Fortbildung fuer Pressesprecher geschickt wuerde?

2. Wer soll eigentlich solche "Schulungen" durchfuehren? Und welche Inhalte sollen hier vermittelt werden? In welchen Bereichen halten denn die lieben Apostel die bisherige "Ausbildung" an der "Hochschule des Heiligen Geistes" (in neuapostolischen Predigten gerne verwendeter Ausdruck fuer ihre Gottesdienste) fuer verbesserungsbeduerftig? Und abschliessend: Wer bildet eigentlich die Apostel und den Stammapostel weiter? Oder haben die es weniger noetig? Aufgrund ihrer Predigtinhalte sehe ich hier den groessten Nachholbedarf...

3. Das ist es also: Die Kirchenleitung will eine "Wohlfuehlkirche". Seit einigen Jahren konnte man genau diesen Eindruck gewinnen. Da werden Kaffeefahrten fuer Senioren organisiert oder "bunte Nachmittage" fuer die Jugend, ein Fussballturnier zwischen benachbarten Gemeinden oder ein gemeinsames Grillen. Das ist auch alles schoen und gut. Aber ob das allein schon ausreicht, damit sich die Mitglieder wieder "wohlfuehlen"? Auf Dauer wird sich dies zeigen und auch dies: Ob "Amtstraeger" (besser: Freizeitgestalter) weiter bereit sind, auf Gemeindefesten dicke Schnitzel zu grillen und dann am Sonntag die "duenne Suppe" der Leitgedanken den Geschwistern per Schnabeltasse zu kredenzen...

- Nicht zuletzt wird ein strengeres Kosten-Controlling dazu fuehren, das grosse Breitenwachstum der Kirche in geordneten Bahnen zu halten.

Bemerkung:
Ein strengeres (!) "Kosten-Controlling" soll eingefuehrt werden. Ist es zuvor nicht "streng" genug gewesen? Immerhin waren und sind Opfergelder der "armen Witwe" zu verwalten gewesen. Und: Gehoert zu dem strengeren Kosten-Controlling auch, dass man es sich in den Niederlanden nicht mehr "leisten" kann, Apostel Sepers durch der Kirche zu bezahlen, so dass er sich "auf seine alten Tage" noch einmal nach einem "Job" umsehen muss? Wo genau wird "abgespeckt" – man koennte auch fragen: wo hat man frueher das Geld unbedacht verschwendet?

Jeder dieser Punkte fuer sich genommen, beweist die verantwortungsbewussten Anstrengungen der heutigen Kirchenleitung, die Neuapostolische Kirche im Innern zu festigen und gegen aussen zu oeffnen. Es wird weiterhin eines unser obersten Anliegen sein, die neuapostolische Stimme in aller Welt erklingen zu lassen, wenn es darum geht, fuer Gott zu streiten und Christum und sein Werk zu ehren.

Bemerkung:
Was bedeutet das "weiterhin"? Wo und wann hat die Neuapostolische Kirche denn in der Vergangenheit "in aller Welt" ihre "Stimme erklingen" lassen, wenn es galt, "fuer Gott zu streiten und Christum und sein Werk zu ehren"? Ein einziges Beispiel haette ich doch gerne gehoert. Mir sind eine ganze Reihe von Moeglichkeiten in Erinnerung, wo die "neuapostolische Stimme" haette "erklingen" koennen – ich habe sie dort aber nicht gehoert:

- wie hat sich die NAK im Dritten Reich verhalten?
- was hat sie gegen diktatorische Regime in aller Welt unternommen?
- wo hat sie gegenueber der Apartheit Stellung bezogen?
- wo unterhaelt sie Sozialstationen (vor allem im Verhaeltnis ihrer "Groesse")?

Ich moechte schliessen mit dem letzten Satz aus dem Leitbild "Dienen und Fuehren in der Neuapostolischen Kirche": "Wir bekennen uns dazu: Gott und sein Werk sind uns heilig!"

Bemerkung:
Einmal davon abgesehen, dass hier undeutlich bleibt, was mit "Gottes Werk" gemeint ist, zeigt sich wieder die Doppelboedigkeit der NAK: Man koennte den Eindruck gewinnen, es gaebe eine neue Broschuere fuer Gemeindemitglieder. Klar gibt es die, aber sie ist bisher fuer die Mitglieder und auch die interessierte Oeffentlichkeit nicht einsehbar. Das sollte sich aendern...

Vielen Dank fuer Ihre Aufmerksamkeit!

An dieser Stelle uebergebe ich an Apostel Joachim Quittenbaum aus Dresden.

[Bemerkungen von: I.G.B.]


"Unsere Familie", 60. Jahrgang, Nummer 4, 20. Februar 2000 (S. 30-31):

Die Neuapostolische Kirche im gesellschaftlichen Dialog

Eindruecke aus einer Veranstaltung in den Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale

"Neben den Kirchen, "Sekten", religioese Sondergemeinschaften - Religionsgemeinschaften der Gegenwart" lautet der Titel einer Vorlesungs- und Vortragsreihe, die von der Theologischen Fakultaet der Martin-Luther-Universitaet (MLU) und den Franckeschen Stiftungen in Halle/Saale veranstaltet wurde. Im Rahmen einer von Dr. Helmut Obst, Professor fuer Oekumenik, Konfessionsgeschichte und Allgemeine Religionsgeschichte, geleiteten Vortragsreihe war unter dem Datum vom 10. November 1999 das Thema vermerkt: "Die Neuapostolische Kirche stellt sich vor."

Bezirksevangelist Peter Johanning, der Medienreferent der NAK, und Apostel Joachim Quittenbaum als Vertreter der Gebietskirche Sachsen/Thueringen nuetzten die Gelegenheit, im grossen Vortragssaal der Franckeschen Stiftungen vor einem ungewoehnlich zahlreichen und - wie sich zeigen sollte - sachkundigen Publikum ein Portraet der "Neuapostolischen Kirche heute und morgen" - so der Titel des Referates von P. Johanning - zu entwerfen.

Als Vertreter der Kirche bedankte sich der Bezirksevangelist ausdruecklich bei dem Gastgeber, den er einen "aufrechten Protestanten" nannte, fuer dessen wissenschaftliche Arbeit als Konfessionskundler, die der Neuapostolischen Kirche auch ein Stueck weit geholfen habe.

Die Frage, ob die NAK zu den Sekten zu zaehlen sei, nuetzte der Medienreferent zu einer Problematisierung des Sektenbegriffs, der wegen seiner semantischen Unschaerfe als Kriterium fuer die Beurteilung einer Glaubensgemeinschaft wenig geeignet sei. Beispielsweise wuerden Sekten durch ihren Exklusivitaetsanspruch definiert, doch dieser finde sich ebenso bei grossen Kirchen. Aussagekraeftig fuer die Einschaetzung einer Gemeinschaft sei vielmehr ein Blick auf die Glaubenslehre. Am Beispiel des 2. Glaubensartikels machte Peter Johanning deutlich, dass die Lehre der NAK auf einem explizit christlichen Bekenntnis beruht. Der Glaube an fundamentale christliche Wahrheiten duerfe jedoch nicht mit Fundamentalismus verwechselt werden.

Zu einem weiteren Kriterium in der "Sektendiskussion", der Haltung zur Oekumene, nahm der Medienreferent offen Stellung. Zur Zeit sei die NAK nicht im Oekumenischen Rat der Kirchen oder in anderen Verbaenden vertreten, auf der Ebene der Kirchenleitung werde jedoch die Frage diskutiert, ob und in welcher Form die Kirche sich der Oekumene anschliessen solle. Dazu sei im Oktober 1999 eine Arbeitsgruppe gegruendet worden. Ob dieser Diskussionsprozess im Ergebnis, wie von Professor Obst gewuenscht, zu einem "Zweiten Vatikanischen Konzil der NAK" fuehre, koenne er gegenwaertig noch nicht beurteilen.

(Anm.: Das 1962 eroeffnete Zweite Vatikanische Konzil, dem Papst Johannes XXII. das Leitmotiv Aggiornamento (Erneuerung) gegeben hatte, loeste einen Modernisierungsschub in der Katholischen Kirche aus.) Anschliessend gab Peter Johanning einen Ueberblick ueber die Entwicklung der Kirche.

Unter anderem war zu erfahren, dass sich die Zahl der Amtstraeger von 120 000 im Jahre 1989 auf 240 000 im Jahre 1998 verdoppelt hat. Auch ueber die Organisationsstruktur, das Gemeindeleben, die Oeffentlichkeitsarbeit und den Umgang mit Kritikern bekamen die Zuhoerer Aufschluss.

Zu dem von einigen Medien hochgespielten Thema "Aussteiger" bemerkte der Medienreferent, dass der gelegentlich erhobene Vorwurf, die Kirchenleitung sei fuer Kritik nicht ansprechbar, nicht zutreffe. Der Stammapostel habe ein Gremium als Anlaufstelle geschaffen, das sich bemuehe, mit den "Aussteigern" ins Gespraech zu kommen; mehrere Treffen haetten bereits stattgefunden.

Mit der lauter gewordenen Kritik an innerkirchlichen Strukturen sei auch das Kritikbewusstsein gewachsen: "Der Weg in den Dialog, in eine Gespraechs- und Informationskultur ist geoeffnet worden", so der Medienreferent der NAK.

Fuer die Beschreibung der "Neuapostolischen Kirche morgen" waehlte er vier programmatische Punkte die den "Kurs" der Kirchenleitung - Festigung im Innern und Oeffnung nach aussen - verdeutlichen:

- Erweiterung des kirchlichen Horizonts - siehe Diskussion ueber die Oekumene
- Weitere Anstrengungen, aus der "Sektenecke" herauszukommen.
- Verstaerkte Unterweisung der Amtstraeger
- Strenges Kosten-Controlling, um das Wachstum der Kirche in geordneten Bahnen zu halten.

Die Leitlinie fuer die zukuenftige Entwicklung der Kirche, so Peter Johanning abschliessend, sei die Frage: "Was ist zu tun, damit sich die Mitglieder der NAK in ihrer Kirche wohlfuehlen?"

An dieser Stelle erhielt Apostel Quittenbaum das Wort, der anknuepfend an den Auftrag der Franckeschen Stiftungen, den interreligioesen Dialog zu foerdern, ueber Selbstverstaendnis der NAK referierte und in einem sehr persoenlichen Beitrag sich und seine Arbeit als Apostel vorstellte. "Ich habe mich nicht selbst in das Apostelamt gesetzt. Ich selbst muss auch glauben, dass ich ein Apostel bin. Einen juristischen Beleg dafuer kann ich nicht vorlegen", so der Apostel. Ueberzeugend konnte er darlegen, was es fuer ihn bedeutet, dieses Amt zu tragen, was mit der Ausuebung des Amtes verbunden ist und welche Kraft er aus seinem Glauben schoepft.

Nach den Vortraegen hatte das Publikum die Moeglichkeit, Fragen an die beiden Kirchenvertreter zu richten. Die offene, sachliche Diskussion gab ein Beispiel dafuer, wie der zuvor angesprochene Weg in eine neue "Dialogkultur" in der Praxis aussehen kann. Die Zuhoerer waren unter anderem daran interessiert, mehr ueber die Aufgaben der Projektgruppen zu erfahren, Bezirksevangelist Johanning erlaeuterte an Beispielen (Qumran, Evolutionstheorie, Sterbehilfe ...), mit welchen Themen sich die vom Stammapostel eingesetzten Gruppen befassen. Dass die Kirche sich vermehrt auch mit wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen beschaeftigt und Gremien mit Fachleuten installiert, um dazu fundierte Aussagen machen zu koennen, wurde vom Auditorium anerkennend vermerkt.

Ebenso fanden die Erklaerungen nach dem Umgang bzw. der Aufarbeitung der Geschichte der NAK beim Publikum ein offenes Ohr. Tatsaechlich habe man hier Nachholbedarf, auch was die Geschichte des "Dritten Reiches" betreffe, betonte der Medienreferent. Auch zu diesem Thema sei vor kurzem eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen worden, und man werde sich der kritischen Auseinandersetzung mit diesem heiklen Kapitel stellen.

Apostel Quittenbaum, der selbst mit seiner Familie von Repressalien betroffen war, berichtete aus eigener Erfahrung ueber die NAK in der damaligen DDR.

Weitere Fragen bezogen sich auf die Wiedererweckung der Geistesgaben bzw. die Wiederherstellung des Apostelamtes, auf die Trennung der Hamburger Gemeinde von der Katholisch-Apostolischen Kirche, auf die Eschatologie, die Haltung der Kirche zum Wehrdienst, zur Homosexualitaet, zur Oekumene, zum interreligioesen Dialog und zum geistlichen Amt fuer die Frau.

Zusammenfassend laesst sich ueber die Veranstaltung sagen:

Die Kirche ist auf dem Weg zu einem unverkrampften und fuer beide Seiten erspriesslichen Dialog mit einer wieder zunehmend fuer religioese Fragen aufgeschlossenen Oeffentlichkeit.

voe


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