Artikel "Karl-Eugen Siegel, 'Der Repraesentant des Herrn. Das Stamm-
apostelamt in der Neuapostolischen Kirche'"
, mit Lebensbeschreibungen
und Quelltexten, Lachesis Verlag, Stuttgart 1995, 141 Seiten, 24,80 DM.

(publiziert in "Materialdienst der Evangelischen Zentralstelle fuer
Weltanschauungsfragen", 58. Jahrgang, 1. Dezember 1995, Seite 382)

Karl-Eugen Siegel ist Mitglied der "Neuapostolischen Kirche" (NAK) - wie
lange noch, moechte man sich fragen, wenn man die vorliegende kritische
Zusammenstellung von Quellentexten zum Stammapostolat in Haenden haelt.
Dabei handelt es sich nur um den ersten Band einer ganzen Reihe, deren
Zweck es sein soll, wichtige Dokumente der NAK zu erschliessen. Siegel
weiss: "Da die gesamte Literatur der Kirche als 'intern' deklariert wird,
ist es fuer Aussenstehende fast unmoeglich, an schriftliches Quellmaterial
heranzukommen... Die Archive sind nur den Aposteln und besonders autori-
sierten Personen zugaenglich."

Ohne Scheu unternimmt es Siegel, "interne" Texte interessierten NAK-Mit-
gliedern, aber auch Aussenstehenden durch diese Art der Publikation nae-
herzubringen. Es geht ihm um Authentizitaet des Materials, das er unkom-
mentiert und in zusammenhaengenden Abschnitten - nicht etwa in Gestalt
"aus dem Zusammenhang gerissener Zitate" - wiedergibt. Ein Namens- und
Stichwortverzeichnis sowie eine Seite mit Begriffserklaerungen schliessen
den Band ab. Zahlreiche Fussnoten belegen die Fundorte.

Offensichtlich verfuegt Siegel ueber ein umfangreiches Archiv, dem er be-
reits wichtiges Material seines lesenswerten Heftes "Die Botschaft des
J.G. Bischoff" (1994, bezueglich der Behauptung des 1960 verstorbenen
Stammapostels, noch zu seinen Lebzeiten werde der Herr wiederkommen) ver-
dankt. Wer sich eingehend mit den Fragen der Entstehung, Geschichte, Auf-
gabenstellung und Begruendung des Stammapostelamtes befassen und hierzu
zentrale oder exemplarische Texte nachlesen moechte, dem bietet der vor-
liegende Band eine wertvolle Materialauswahl, getroffen in kritischer Soli-
daritaet und in der Ueberzeugung, dass man gerade auch als neuapostolischer
Christ die Geschichte seiner eigenen Kirche in ihrer ganzen Wahrheit ken-
nen muss.

Soviel kritisches Bewusstsein duerfte dem derzeitigen Stammapostel Richard
Fehr
kaum willkommen sein - schrieb er doch in "Unsere Familie" vom
20.6.1991: "Das Wort 'Kritik' steht nirgends in der Bibel. Also hat es
bei uns im Werk Gottes auch nichts zu suchen." Hier argumentiert der
Stammapostel allerdings merkwuerdig oberflaechlich: Denn im griechischen
Neuen Testament findet sich sehr wohl der Begriff des "krisis", also des
(Be-)Urteilens und des Gerichts. Wie wird eine Kirche, die (selbst-)kri-
tische Stimmen im Blick etwa auf ihre Fuehrer gar nicht erst aufkommen
lassen moechte, am Ende vor der Kritik ihres Herrn bestehen wollen?

Pfarrer Dr. Werner Thiede

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