Geehrte Leser,
In der "Unsere Familie", 60. Jahrgang, Nummer 9, 5. Mai 2000, Seite 36, konnten die
staunenden neuapostolischen Geschwister folgenden Artikel lesen:
"Gespraech mit apostolischen Gemeinschaften in Aussicht!
Stammapostel Richard Fehr hat im Einvernehmen mit den Bezirksaposteln alle in Europa bestehenden apostolischen Gemeinschaften zu einem Treffen eingeladen. Die fuer September 2000 geplante Zusammenkunft soll die Erinnerung an gemeinsame Glaubensgrundlagen und das Verstaendnis fuer Unterschiedlichkeiten beinhalten.
Aus der Neuapostolischen Kirche sind im Lauf des vergangenen Jahrhunderts verschiedene groessere und kleinere Gemeinschaften hervorgegangen. So trennte sich beispielsweise 1924 eine Gruppe um Apostel Carl August Brueckner von der damaligen Kirchenleitung, Stammapostel Hermann Niehaus; daraus entstand der Reformiert-Apostolische Gemeindebund. Mitte der 50er Jahre gruendeten sich in der Schweiz die Vereinigung Apostolischer Christen und in Duesseldorf die Apostolische Gemeinschaft. Bereits seit 1945 waren in Holland verschiedene Gemeinden mit neuapostolischem Hintergrund entstanden.
Neben das, was ehemals die gemeinsame Jesu- und Apostellehre gewesen ist, traten in diesen Gemeinschaften manch andere Lehrinhalte in den Mittelpunkt. Deshalb hat die Internationale Leitung der Neuapostolische Kirche das Jahr 2000 auch in diesem Bereich zu einem "Jahr der Bewegung" werden lassen und moechte mit all denen das Gespraech suchen, die einstmals, aus welchen Gruenden auch immer, sich von der Neuapostolischen Kirche getrennt haben.
Ueber Ergebnisse aus diesen Gespraech wird in "Unsere Familie" nach Massgabe des Stammapostels zu gegebener Zeit berichtet."
Wie so oft, ist auch dieser Artikel wieder eine Verkettung von Halbwahrheiten, Unwahrheiten und Unklarheiten. Ich nenne nur einige Punkte:
- "... alle in Europa bestehenden apostolischen Gemeinschaften zu einem Treffen eingeladen." Es wurden mit Sicherheit zwei deutsche Gemeinschaften vergessen: die "Christen unserer Zeit" und das "Apostelamt Juda". Auch wurde eine nicht bestehende Gemeinschaft eingeladen: der "Reformiert-Apostolische Gemeindebund."
- "Die fuer September 2000 geplante Zusammenkunft." Der interessierte Leser darf nur erfahren, dass (!) etwas stattfindet. Wann, wo und wie wird ihm vorenthalten.
- "So trennte sich beispielsweise 1924 eine Gruppe um Apostel Carl August Brueckner von der damaligen Kirchenleitung." 1924? Am 17. April 1921 unterzeichnete Stammapostel Niehaus die Amtsenthebungsurkunde fuer Bezirksapostel Brueckner. Der 5. Mai 1921 gilt als die Geburtsstunde des "Reformiert-Apostolischen Gemeindebunds", das ist dem Buch des von der NAK himmelhoch geschaetzten Prof. Dr. Obst zu entnehmen.
- "... traten in diesen Gemeinschaften manch andere Lehrinhalte in den Mittelpunkt." Genau! Z.B. wurde der in der NAK etwas unsichtbar gewordene "Jesus Christus" wieder in den Mittelpunkt gestellt. Und der in der NAK viel zu sichtbare "Stammapostel" wurde aus dem Mittelpunkt verbannt.
- "... mit all denen das Gespraech suchen, die [...] sich von der Neuapostolischen Kirche getrennt haben." Toll formuliert! "Die sich getrennt haben"? Dies duerfte der Euphemismus des Jahres 2000 werden, geehrte Leser! Hunderte, Tausende, vielleicht sogar Zehntausende von Ausschlussschreiben wurden im letzten Jahrhundert von unseren liebevollen, vorbildlichen Stammaposteln und Bezirksaposteln unterschrieben. Die Geschwister wurden exkommuniziert, sie wollten sich gar nicht trennen! Nur weil sie es wagten, die Meinung des jeweiligen Stammapostels anzuzweifeln, wurden sie lieblos aus der Neuapostolischen Kirche hinausgekickt!
Diese Auflistung soll zuerst einmal reichen.
Uebrigens war die Veroeffentlichung in der "Unsere Familie" eine direkte Folge der Veroeffentlichung des originalen Einladungsschreibens vom Stammapostel am 10. Maerz 2000 hier auf dieser Homepage. Haette es im Internet diese Infos nicht gegeben, wuerden die Leser der "Unsere Familie" hiervon gar nicht oder erst sehr viel spaeter etwas erfahren haben.
Nun ist der September gekommen, und es ist schon wieder zehn Tage her, seitdem die Delegationen von vier unterschiedlichen apostolischen Glaubensgemeinschaften in Zuerich versammelt waren. Am Freitagnachmittag kamen die Herren im "Hilton Zuerich-Airport" an. Die Abgesandte der niederlaendischen Hersteld Apostolische Zendingkerk, Apostel Van den Bosch und der Bischof Peters, waren mit dem Zug gekommen. Der niederlaedische VAG-Apostel Den Haan mit dem Flugzeug. Seitens der deutschen VAG trafen die Apostel Weise und Boehm ein, die schweizer VAG war durch Apostel Baltisberger vertreten. Von der Apostolischen Gemeinde des Saarlandes waren Apostel Schmidt und Evangelist Graesser zugegen. Seitens der NAK waren Stammapostel Fehr, die Bezirksapostel Wend und Klingler, Apostel Opdenplatz, Bezirksevangelist Johanning, ein Sekretaer (Evangelist Pluess) und ein gewisser Bezirksevangelist Angst anwesend.
Ich kann euch versichern, geehrte Leser, es war eine herrliche Atmosphaere. Schon beim Trinken des Kaffees fand man eine 'gemeinsame Grundlage': der Stammapostel und Apostel Van den Bosch waren sich einig dass die Kaffee von aeusserst bedenklicher Qualitaet sei. Leider konnten die Vertreter der 'anderen' apostolischen Gemeinden nicht immer die Bemerkungen des Stammapostels zustimmen. Stammapostel Fehr sagte freitagabend: "Wenn der Herr diese Nacht nicht kommt, dann sehen wir uns morgen beim Fruehstueck wieder". Dies wurde dann von einem nicht-NAK-Apostel als "charakteristisches Beispiel falscher Verwendung der Wiederkunftsbotschaft" gekennzeichnet. Aber auch die 'anderen' waren nicht immer eines Geistes. So wurde von einer Gemeinschaft leise geklagt dass man endlich mal mit dem "Herumreiten auf der Geschichte" aufhoeren sollte. Lehrmaessig war Apostel Schmidt, mit seinen moderneren Auffassungen zu Gott, Jesus Christus und dem Heiligen Geist, einigermassen isoliert. Man darf gespannt sein, wie er in seiner Monatsschrift "Wahrheit" (worin uebrigens, genau so wie im "Herold" und im Monatsschrift der Hersteld Apostolische Zendingkerk, kein einziger Satz zum Thema "Konzil in Zuerich" gestanden hat...) ueber diese Gespraeche berichten wird...
Am Ende des 'Konzils' wurde dann ein Kommuniqué verfasst:
"Ende Januar 2000 lud der Leiter der Neuapostolischen Kirche, Stammapostel Richard Fehr, verschiedene apostolische Gemeinschaften in Europa zu einem Konzil fuer Anfang September nach Zuerich ein. Dieser Einladung folgten die Vereinigung apostolischer Gemeinschaften, die Apostolische Gemeinde im Saarland und die Hersteld Apostolische Zending Kerk. Am Schluss des Treffens vereinbarten die Teilnehmer folgendes Kommuniqué, das sowohl fuer die Mitglieder der Kirchen als auch fuer die Oeffentlichkeit bestimmt ist:
Kommuniqué vom 02. September 2000
Das "Konzil apostolischer Gemeinschaften in Europa" fuehrte die beteiligten Kirchen im Geist christlicher Liebe an einen Tisch. Nach offenem, bruederlichen Dialog halten die Beteiligten fest:
1. Wir betonen, dass es uns auf der Grundlage gegenseitiger Wertschaetzung ein vorrangiges Anliegen ist, die verbindenden Gemeinsamkeiten zu sehen. Zugleich respektieren wir Verschiedenheiten. In diesem Rahmen ist die Aufarbeitung der Vergangenheit eine wichtige Aufgabe.
2. Wir versprechen uns von nachfolgenden Treffen dieser Art, in denen vor allem Glaubensgrundlagen eroertert werden, dass sie gegenseitige Vorbehalte weiter abbauen. Sie sollen uns zugleich helfen auszuloten, in wie weit ein gemeinsames Miteinander in der Zukunft moeglich ist. Zu diesen Gespraechen laden wir auch andere apostolische Gemeinschaften aus Europa ein.
3. Wir haben den besonderen Wunsch an die Mitglieder unserer Kirchen, dass sie ggf. vorhandene persoenliche Vorbehalte zurueckstellen und ernsthaft darum beten, dass uns die Weisheit aus dem Heiligen Geist auf dem eingeschlagenen Weg begleiten moege.
Zuerich, den 2. September 2000
Fuer die Neuapostolische Kirche: gez. R. Fehr
Fuer die Vereinigung apostolischer Gemeinschaften: gez. R. Boehm
Fuer die Apostolische Gemeinde im Saarland: gez. O. Schmidt
Fuer die Hersteld Apostolische Zending Kerk: gez. B. van den Bosch"
Ein wahrhaft interessanter Kommuniqué, das darf man schon sagen.
Interessant sind natuerlich die Dinge, die erwaehnt werden:
- "Aufarbeitung der Vergangenheit". Da die neuapostolischen Mitglieder von den offiziellen Geschichtsbuechern ueber die wirklichen geschichtlichen Vorgaenge voellig im Unklaren gelassen werden, duerfen wir gespannt sein, wieviel von dieser "Aufarbeitung der Vergangenheit" auch dem gemeinen Mitglied zugaenglich gemacht werden wird.
- In weiteren Treffen sollen bei den Beteiligten "gegenseitige Vorbehalte" weiter abgebaut werden. Die Mitglieder der Kirchen aber werden aufgerufen "ggf. vorhandene persoenliche Vorbehalte zurueck(zu)stellen". Im Mai 2001 werden sich die Gemeinschaften wieder treffen. Man darf gespannt sein, ob seitens der neuapostolischen Kirchenleitung (schon seit hundert Jahren der Saemann der jetzt in hohem Masse anwesenden persoenlichen Vorbehalte) auch tatsaechlich konkrete Aktionen unternommen werden, damit diese Vorbehalte abgebaut werden.
- "Die Mitglieder unserer Kirchen", also auch die Mitglieder der NAK, sollen dafuer beten, dass "die Weisheit aus dem Heiligen Geist" ihre Leiter "auf dem eingeschlagenen Weg begleiten moege". Auch das ist interessant, denn es wird hiermit seitens der neuapostolischen Kirchenleitung ausgesagt, dass es zumindest die Moeglichkeit gibt, dass der Heilige Geist diese Herren nicht begleitet (hat). Interessant auch deshalb, weil sich die neuapostolischen Fuehrer intern immer und ausnahmslos als "voll des Heiligen Geistes" praesentieren. Uebrigens wurden in Mai (in dem obenerwaehnten Artikel aus der "Unsere Familie") die Mitglieder noch gar nicht aufgerufen, fuer Weisheit aus dem Heiligen Geist zu beten. Vielleicht brauchte die Kirchenleitung das vor 4 Monate noch nicht?
- Im allgemeinen kann man auch sagen dass es eine Zumutung der
Mitglieder ist, dass sie genauso viel (genauso wenig) zu hoeren bekommen wie "die
Oeffentlichkeit". Man haette erwarten koennen dass dem "Glaubensvolk", den "Kindern Gottes",
mehr erzaehlt wuerde als den boesen "Weltmenschen". Folgende Gespraeche sind deshalb
vorprogrammiert:
Weltmensch: "Hey du, du bist doch neuapostolisch? Ich hoerte, dass dein Stammapostel
eure Abgefallenen eingeladen hat. Es hat sogar ein Kommuniqué gegeben. Was ist denn dort
alles besprochen worden?"
Gotteskind: "Das weiss ich nicht."
Weltmensch: "Wieso weisst du das nicht? Gehoerst du nicht mehr zu dieser Gruppe?"
Gotteskind: "Doch, aber wir haben auch nur das Kommuniqué bekommen, und sonst nichts".
Weltmensch: "Waaaaaas? Wir leben doch im Informationszeitalter, oder?"
Gotteskind: "Ich denke, die Kirchenleitung traut uns nicht."
Weltmensch: [Schuettelt den Kopf und geht weiter]
- Eine unfassbare Beleidigung (und genau so unfassbar ist es,
dass die betreffenden Apostel dies in dem Kommuniqué ueberhaupt akzeptiert haben!) ist
natuerlich die zweifach falsche Verwendung der Namen aller (!) eingeladenen Gemeinschaften:
"Vereinigung apostolischer Gemeinschaften" statt "Vereinigung Apostolischer Gemeinden".
"Apostolische Gemeinde im Saarland" statt "Apostolische Gemeinde des Saarlandes".
"Hersteld Apostolische Zending Kerk" statt "Hersteld Apostolische Zendingkerk".
Aber noch viel interessanter sind natuerlich die Dinge, worueber gar nichts gesagt wird, naemlich ueber alles. Nichts wird gesagt:
- ueber den Inhalt der Gespraeche.
- ueber die Themen, worueber geredet wurde.
- welche Standpunkte die unterschiedlichen Delegationen vertreten haben.
- ob es ein Protokoll gegeben hat (der Sekretaer war wohl nicht umsonst eingeladen?)
usw. usw.
Wie in der NAK seit ihrem Bestehen ueblich (und es tut mir leid, feststellen zu muessen, dass in diesem Punkt die anderen apostolischen Gemeinschaften um keinen Deut besser sind als die NAK), ist in diesem Konzil pure, unverschnittene Geheimpolitik betrieben worden.
Dann hat sich die NAK mittlerweile auf der internationalen Homepage
zu einer kleinen Veroeffentlichung ueber das Konzil durchgerungen. Ein Ueberblick:
Deutsch: Kommuniqué, Bild und Text "Die Teilnehmer aus verschiedenen apostolischen
Gemeinschaften in Europa und der Neuapostolischen Kirche haben fuer Mai 2001 ein naechstes
Treffen vereinbart."
Englisch: Kommuniqué, Bild und Text "The participants of the Council of Apostolic
Churches in Europe will meet again in May 2001."
Franzoesisch: Kommuniqué, Bild ohne Text.
Niederlaendisch: Kommuniqué, Bild ohne Text.
Italiaenisch, Spanisch und Russisch: Weder Kommuniqué weder Bild
noch Text.
Zufall wird es wohl nicht sein, dass keine Namen bei der "Unterschrift" des Photos auf der NAK-Homepage genannt werden. Deshalb wird hier nochmals das Gruppenphoto veroeffentlicht mit den dazu gehoerenden (!) Namen:
(von links): PR Graesser - AGdS, BEV Angst - NAK, AP Den Haan - VAG, BEV Pluess - NAK, AP Schmidt - AGdS, AP Baltisberger - VAG, BAP Wend - NAK, AP Van den Bosch - HAZK, AP Boehm - VAG, AP Opdenplatz - NAK, STAP Fehr - NAK, BAP Klingler - NAK, BI Peters - HAZK, AP Weise - VAG. |
Meine Meinung zur Frage: "Sollten die Namen und Amtstitel mit veroeffentlicht werden?" Die NAK versucht abermals, bewusst so wenig Infos wie moeglich zu veroeffentlichen. Sie macht dies seit 100 Jahren, und wird es auch in den kommenden 100 Jahren so weitermachen. Ein sarkastischer Kommentar koennte sein: Vielleicht ist es sogar besser, dass die Namen nicht genannt werden, denn das Photo ist ohnehin so winzig klein und von duerftiger Qualitaet, dass man aufgrund dieses Photos keiner der Anwesenden 'in real life' wiedererkennen wuerde.
Was koennen wir neuapostolischen Mitglieder denn in den kommenden Monaten erwarten? In der "Unsere Familie" wird zweifellos nur das Kommuniqué und das Gruppenbild (ohne Namen und ohne Amtstitel...) veroeffentlicht werden. Vielleicht findet der interessierte Leser mehr Infos in den Monatsschriften "Wahrheit" (AGdS), "der Herold" (VAG) oder "Vrede zij u" (HAZK). Wie dem auch sein wird, eines kann jetzt schon gefolgert werden: Die Mitglieder in allen beteiligten Kirchen werden nur einen kleinen Teil von dem, was besprochen wurde, hoeren. Der neuapostolische Usus (Geheimpolitik) hat die anderen Gemeinschaften schnell und effektiv infiziert.
Mein Aufruf an euch alle lautet deshalb: Geehrte Leser, lasst euch nicht von von einem Handshake-Gruppenbild, dass eines Tages in einer "Unsere Familie" veroeffentlicht wird, abspeisen. Fragt eure 'Vorangaenger' nach dem Konzil, fragt was dort passiert ist, was alles besprochen wurde, und... wundert euch ueber die Antworten, die ihr bekommen werdet (vermutlich keine)!
Es gibt Optimisten, die froh sind, solche Gespraeche in unserem neuen Jahrtausend begruessen zu duerfen. Es gibt Pessimisten, die Fragen stellen, wie z.B.: Warum wurden nur einige und nicht alle apostolischen Gemeinschaften eingeladen? Warum wurden zum Teil "falsche" Einladungen ausgesprochen? Warum trifft man sich ausgerechnet in Zuerich (uebrigens naechstes Mal auch wieder in der Gegend)? Warum wird nichts publik von dem, was besprochen und behandelt wurde (ausser einem fadenscheinigen und nichtssagenden Kommuniqué)? Sollten die Pessimisten Recht behalten, so wird die Bauchnabelschau der NAK oder des jetzigen Stammapostels wohl einzig und allein im Mittelpunkt stehen. Denn zu gross sind die Fragen, deren Beantwortung wohl nur der gute und Heilige Geist vornehmen kann. Die Optimisten koennen sich in Schweigen huellen und hoffen, dass auch in 20 Jahren noch Gespraeche mit exkommunizierten Kirchen bzw. Mitgliedern gefuehrt werden und die beitragszahlende Mitgliederzahl der NAK durch Konzile immer wieder leicht nach oben korrigiert werden kann.