Der Herold

29. Jahrgang, Oktober 1983

Goettliche Verheissungen sind teure Versprechen und bindende Zusagen, auf die unbedingt Verlass ist. Wir lesen in 4. Mose und in den Psalmen:

Gott ist nicht ein Mensch, dass er luege, noch ein Menschenkind, dass ihn etwas gereue. Sollte er etwas sagen und nicht tun? Sollte er etwas reden und nicht halten?" (4. Mose 23, 19);

"Denn des Herrn Wort ist wahrhaftig; und was er zusagt, das haelt er gewiss" (Psalm 33, 4).

Zum umseitig gedruckten Text wird jeder wahrhaftige Christ ja und amen sagen. Uns ist dieser Text aber auch eine Herausforderung. Weshalb? Weil er ein Zitat aus einer unlaengst im neuapostolischen Verlag unter dem Titel "Goettliche Verheissungen und ihre Erfuellung" erschienenen Broschuere ist, ein Zitat also aus dem Schrifttum der Neuapostolischen Kirche, deren Apostel immer noch daran festhalten, die Botschaft ihres im Jahre 1960 verstorbenen Stammapostels Bischoff, er werde nicht sterben, Christus komme noch zu seiner Lebzeit wieder, waere eine goettliche Verheissung gewesen, Gott habe seinen Willen geaendert. Was soll man von einer solchen Haltung denken?

Erst haben wir anlaesslich des 28. Jahrestages der Kirchentrennung in der Bundesrepublik Deutschland ueber diese Sache geschrieben. Anlass dazu gab damals der Aufruf des Stammapostels Urwyler an die Neuapostolischen, ihn in seinen Gebeten fuer uns "Irrende" zu unterstuetzen und uns, die wir damals "gottgegebene Verheissungen" nicht beachtet und der Neuapostolischen Kirche den Ruecken gekehrt haetten, "mit grosser Freundlichkeit" zu gruessen und den Weg zur Busse zu weisen (Sonder-Herold, Januar 1983).

Nun sehen wir uns durch die oben erwaehnte neu herausgekommene Broschuere veranlasst, das Thema erneut aufzugreifen. Wir tun das bestimmt nicht, weil es uns eine Lust waere, in der Vergangenheit herumzuruehren und Fehler an den Pranger zu stellen. Und wer glaubt, es waere unsererseits ein Zeichen unbewaeltigter Vergangenheit, weil wir betreffs der Botschaft Bischoffs immer wieder unsere Stimme erheben, der irrt. Wir schreiben, weil wir uns der Wahrheit gegenueber dazu verpflichtet fuehlen und Wahrheitsliebenden eine Hilfe sein moechten. Die Wahrheit kennen und gegenueber solchen faustdicken Ungereimtheiten, wie sie im vorliegenden Fall erneut zutage treten, stumm bleiben, waere eine Beleidigung der Reformatoren, durch deren Kaempfe und Leiden es uns heute vergoennt ist, Wahrheitstraeger sein zu duerfen. Und vor allem: es geht um die Ehre Gottes und unseres Herrn Jesus Christus und des Heiligen Geistes. Wer da schweigt, der bejaht!

Wie wurde doch damals die Botschaft Bischoffs hochstilisiert und ueber rund zehn Jahre hinweg pausenlos in Wort und Schrift als eben das bezeichnet, was die jetzt herausgekommene Broschuere als unbedingt verlaesslich hinstellt: goettliche Verheissung, bindende Zusage! Hierzu aus neuapostolischen Schriften einige wenige der unzaehligen Aussagen:

- Stammapostel Bischoff: "Die Erfuellung einer Voraussage ist aber der Beweis, dass die Betreffenden die Wahrheit gesagt haben" ("Amtsblatt", Sondernummer vom 8.6.1952, Seite 4).
- Apostel Startz: "Dass es sich um das Wort des Herrn handelte, konnte immer an der Erfuellung der gegebenen Verheissung erkannt werden" ("Waechterstimme" vom 1.11.1953, Seite 165).
- "Bischoff als der geistige Josua fuehrt die Kinder Gottes ins Land der Verheissung, ins himmlische und ewige Kanaan" (Kalender 1954, Seite 46).
- "Das steht unabaenderlich fest als eine goettliche Verheissung: Der Herr kommt zur Lebzeit unseres Stammapostels" ("Unsere Familie" 1955, Seite 100. - Wenn das unabaenderlich feststand, wieso wurde dann nach Bischoffs Tod gelehrt, Gott habe diesbezueglich seinen Willen geaendert?).
- "Kein anderer wird die Braut dem Gottessohn und Braeutigam entgegenfuehren, als der den Auftrag dazu erhalten hat, beide zu vereinen, unser Stammapostel" ("Waechterstimme" 1955, Seite 45).
- "Der liebe Gott hat seinen Heilsplan festgelegt, und den fuehrt er aus" ("Waechterstimme" vom 1.9.1955. - Dass Gott seinen Heilsplan festgelegt hat und er diesen ausfuehrt, ist gewiss, aber diese Aussage wurde ja in Bezug auf die Botschaft Bischoffs gemacht).
- "So troestet uns diese goettliche Offenbarung des Herrn, dass er zur Lebzeit des Stammapostels kommt, mehr als Satan uns betrueben kann. Halten wir diese letzte Willensverkuendigung des Herrn glaeubig fest" ("Waechterstimme" vom 15.10.1955).
- "Nach ihm (Bischoff) kommt keiner mehr, der sich darauf berufen koennte, von dem Sohn Gottes einen Auftrag zu haben" ("Christi Jugend" vom 15. 3.1956).
- "Er (Bischoff) ist durch keinen andern zu ersetzen" ("Waechterstimme" vom 1.6.1956).
- "Der gegenwaertig lebende Stammapostel ist der Letzte" ("Waechterst." 1956, S. 165. (Was waren denn Schmidt und Streckeisen, und was ist Urwyler?).
- "Seit Jahren wird uns verkuendet, dass der Herr zur Lebzeit unseres Stammapostels wiederkommt; nicht irgendeines Stammapostels, sondern unseres derzeitigen Stammapostels" ("Waechterstimme" 1959, Seite 99).

Das auf der Titelseite dieser Herold-Ausgabe abgedruckte Zitat aus der neuapostolischen Broschuere besagt freilich, dass alle eben angefuehrten Aussagen - und mit ihnen noch viele hundert andere botschaftsbezogene Stellen aus neuapostolischen Schriften - samt und sonders ungoettlich waren, denn sie haben sich nicht erfuellt. Und klar ist auch erwiesen, dass die nach Bischoffs Tod veroeffentlichte Behauptung, Gott habe in Sachen Botschaft seinen Willen geaendert, eine ueble Ausrede war. - Schlimm! Und das Allerschlimmste ist - wenn es ueberhaupt noch etwas Schlimmeres geben kann -, dass die neuapostolischen Apostel an ihrer Behauptung immer noch festhalten. Sie widersprechen sich damit mit ihrer Broschuere selber.

Fazit:
Wenn man - 23 Jahre seit dem Tode Bischoffs - die Kuehnheit hat zu sagen, man glaube nach wie vor, dass Bischoffs Botschaft eine goettliche Verheissung gewesen sei, dann heisst das indirekt dass Gott wie ein Mensch sei, der etwas sage und nicht... die Feder straeubt sich weiterzuschreiben.

Moechten doch die neuapostolischen Verantwortlichen wieder zu ehrlichem Wahrheitsbekenntnis zurueckfinden.

Die Redaktion

 

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