100 Jahre gegen Gottes Willen - oder: Um was geht's denn eigentlich?

Und wieder einmal kocht das Thema Frauen in Aemter der Neuapostolischen Kirche
unnoetig hoch - Ausloeser dazu, die juengsten Aussagen des Stammapostels Fehr.

Nachdem sich in verschiedenen Statements der Oeffentlichkeitsbeauftragten und
Mitglieder des zu diesem Thema eingesetzten Gremiums schon ein Wechsel der
Kirchenhaltung abzuzeichnen schien, kam jetzt erst einmal das hochoffizielle
Aus: zuerst am 12. Juli anlaesslich des Baden-Wuerttembergischen Jugendtags
in Stuttgart und nun auch am 20. September via modernster Kommunikation im bun-
desweiten Aemtergottesdienst aus Hamburg.
Und wieder einmal ist es nicht die Tatsache an sich, dass es keine weiblichen
Amtstraegerinnen geben soll, sondern es ist die Begruendung die die Gemueter
erhitzen: Jesus habe keine Frauen ins Amt berufen, deshalb koennten wir es
heute auch nicht. Voellig stumpfsinng dann womoeglich noch der Zusatz: wir
selber haetten ja eigentlich nichts dagegen oder koennten uns das sogar ganz
gut vorstellen. - Diese Aussage schieb die Schuld fuer eine voellig neben-
saechliche und rein-gesellschaftliche Frage Jesus zu und damit dem Lieben
Gott. Wieder einmal wird Gott in ein paar Jahren seinen Willen aendern muessen,
dass dann auch endlich die Neuapostolische Kirche Frauen in ihre Aemter beru-
fen kann. - Arme Welt: der gute Gott kann da doch nicht anders, als sich vor
Lachen auf den Schenkel zu klatschen und sich mal wieder koestlich ueber seine
Kinder amuesieren, hat er doch extra fuer solche Fragen seinen Heiligen Geist
in die Welt gesandt: es ist tiefster neuapostolischer Glaube, dass Gott durch
den Heiligen Geist mittels unvollkommener Menschen spricht - spielt es eine
Rolle ob diese menschliche Huelle nun maennlich ist oder weiblich? Diese Frage
muss auch aus dem Hintergrund heraus gestellt werden, dass nach biblischen
Bericht Jesus tatsaechlich keine Frauen zu Aposteln berief, trotzdem sind ihm
einige wohl doch zimlich eng nachgefolgt. - ueberlegen wir doch einmal, warum
wohl Jesus nicht mit dem VW-Kaefer nach Jerusalem einzog, sondern, warum er
dazu einen Esel verwendete... - genau! Den gab's ja damals noch gar nicht,
damals war es eben normal mit einem Reittier zu reisen, und als Symbol des
Friedens galt eben der Esel und nicht wie heute der Kaefer. - Es ist wohl
voellig klar und heute sehr gut rekonstruierbar, dass es zur Zeit Jesu absolut
undenkbar war, eine Frau in dieser Position zu akzeptieren. Da steckt doch
wieder das "Waschmaschinen-Beispiel" dahinter: arbeiten wir heute mit einem
Fernseher in der Kirche, weil Jesus auch mal Fernseher ins Predigtamt gesetzt
hat? - Nein, natuerlich nicht, sondern weil er hilft, das geistgewirkte Wort
effektiver zu verbreiten. Wo ist denn nun das Argument gegen Frauen?
Viel schwerwiegender scheint allerdings noch die alte Diskussion: Jesus hat
doch geruechteweise nur 12 Apostel berufen, oder? - Trotzdem gab es zur Zeit
der ersten Apostel doch noch weitere - wenn Jesus mehr wie 12 fuer richtig
empfunden haette, dann haette er doch auch 30 berufen koennen... - egal, wie
wir lesen hat sich ja das Problem damals wohl weitaus unkomplizierter erle-
digt. Und dann gibt es da noch den Apostel Junias, der ja eigentlich eine
Frau ist (zumindest nach der Forschung bzw. der King-James-Uebersetzung).
Wie ist es denn damit? Eine Frau im Apostelamt, aber auch nicht von Jesus
eingesetzt ??? Und dann noch die guten alten Diakonissinnen, was ist denn
mit diesen biblisch belegbaren Aemtern, die sogar in der Neuapostolischen
Kirche noch bis 1952 berufen wurden. Wurde denn 100 Jahre gegen Gottes Willen
berufen? Oder hat man festgestellt, dass es damals kein Amtsverstaendnis gab,
wie wir das heute kennen? Sind dann also vielleicht die Diakone demnaechst
auch keine Aemter mehr? Damit sind wir am eigentlichen Kern der Problematik
"Frauen in Aemtern" angelangt - dahinter steckt naemlich ein Amtsverstaend-
nis, dass auf einen fundamentalen Unterschied zwischen Gemeindemitglied und
Amtsperson abziehlt. So ergibt sich erst ueberhaupt fuer Befuerworter wie
Gegner diese leidige Frage - ich persoenlich ziehe ein Amtsverstaendnis vor,
dass alle, die sich zu Gott ueber den neuapostolischen Glauben bekennen, ein
Amt tragen, eine Verantwortung vor Gott und den Menschen, eine christliche
Aufgabe in der Welt als ein Licht zu gelten und Verantwortung zu haben fuer
die Gemeinschaft, das Brotbrechen und das Gebet. Es waere weitaus glaubwuer-
diger, nachvollziehbarer und damit auch zu akzeptieren, wenn Stammapostel
Richard Fehr der Gemeinde verkuenden koennte: sorry, tut uns leid, aber wir
Apostel koennen es uns im Moment absolut nicht vorstellen Frauen in unseren
Kreis aufzunehmen; wir haben darueber beraten und sind nach vielen Ueberle-
gungen zu dem Entschluss gekommen bis auf weiteres keine Frauen in Aemtern
zu rufen. Was soll eine Begruendung, die man irgendeinmal wieder muehsam um-
interpretieren muss - und die noch dazu die eigene Kirchengeschichte in
Frage stellt?

michl, 09/98

[Anm. RF: Ich danke Br. Michl Koch fuer seine Zustimmung um dieses
Artikel (http://wwwcip.rus.uni-stuttgart.de/~soz14076/news.htm) von der
Glaubenskultur-homepage uebernehmen zu duerfen]

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