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S i e g f r i e d  D a n n w o l f

S. Dannwolf, Pflugfelder Str. 9, 7806 Kornwestheim
Herrn
Dr. Hagen Wend
Neuapostolische Kirche Hessen
Gutleutstr. 298a
60327 Frankfurt am Main

21.10.2001

Ihr Offener Brief vom 28. September 2001

Sehr geehrter Herr Dr. Wend,

Ihr Offener Brief vom 28. September 2001 ging bei mir am 04. Oktober ein. Beigefügt
erhalten Sie eine Stellungnahme und Antwort zu Ihrem Brief.

Ich bitte Sie, meinen Antwortbrief an derselben Stelle im Internet zu veröffentlichen, an der
auch Ihr Brief veröffentlicht war/ist. Ich werde ihn nicht – wie Sie – zeitgleich ins Internet
setzen, sondern bis 30.10.2001 abwarten, ob eine Veröffentlichung Ihrerseits erfolgt. Sollte
dies nicht der Fall sein, werde ich natürlich selbst die Veröffentlichung betreiben.

Nach dem Verlauf unserer Gespräche in Frankfurt wundere ich mich doch über Ihr Stilmittel
eines Offenen Briefes. Ich habe die vereinbarte Vertraulichkeit gewahrt. Bedauerlicherweise
muss sie nun durch Ihr Vorgehen teils durchbrochen werden.

Bei der Gelegenheit erinnere ich an die in den Gesprächen angesprochene Nichtbeantwortung
unseres Offenen Briefes betr. NAK und Nazi-Regime. Ich möchte Sie - wenn wir schon dabei
sind, offene Briefe auszutauschen - hier nochmals zu einer Beantwortung auffordern.

Mit freundlichen Grüßen,

Siegfried Dannwolf


Siegfried Dannwolf

21. Oktober 2001

 

Offener Antwortbrief

auf den Offenen Brief von Dr. Hagen Wend an Siegfried Dannwolf

Bewertung der Neuapostolischen Kirche

Sehr geehrter Herr Dr. Wend,

Ihr Offener Brief hat mich doch sehr überrascht. Verwundert hat mich, dass der Brief am Tag des Eingangs bei mir, dem 4.Oktober, bereits auf der NAK-Homepage veröffentlicht war.

Ich habe mich gefragt, was Sie an dem Artikel wohl so geärgert haben mag, dass Sie dieses ungewöhnliche Stilmittel eines Offenen Briefes wählten, obwohl Sie als Bezirksapostel innerhalb der NAK doch über die volle Bandbreite der Wirkungs- und Kommunikationsmöglichkeiten verfügen.

Vor einer inhaltlichen Stellungnahme möchte ich Ihrer Unsicherheit bezüglich des Berichts abhelfen:

Der Journalist Klaus Leder war bei einer Tagung in der Evang.Bildungsstätte in Rothenburg o.d.T. im November 2000 anwesend, bei der ich auf Einladung des Bildungswerks einen Vortrag über die NAK hielt. Er sollte einen Bericht über den Vortrag für die Evangelische Wochenzeitung für Bayern verfassen. Der Bericht verzögerte sich, weil – so erfuhr ich irgendwann auf Nachfrage– ein Schwerpunktthema daraus gemacht werden sollte. Dass der Bericht, der dann am 29. Juli 2001 erschien, nicht mehr den Vortrag, sondern mein Buch zum Schwerpunktinhalt hatte, erfuhr ich selbst erst bei der Lektüre. Im Kassler Sonntagsblatt vom 12.8.2001 ist lediglich ein Abdruck des bereits im Juli in Bayern erschienenen Berichts veröffentlicht.

Eines der Fundamente unseres freiheitlich-demokratischen Staatswesen ist das freie Pressewesen. Ob ein Ereignis oder Sachverhalt berichtenswert ist, was dazu veröffentlicht wird und wie Berichterstattung und Kommentierung erfolgt, obliegt den Verlagen und deren journalistischen Mitarbeitern. Die NAK macht sich zunehmend diese Kommunikationswege zu Nutze. Als Gegenstand bzw. Person der Berichterstattung hat man auf den Inhalt des Berichts keinen Einfluss. Das ist gut so für unser Staatswesen. Das kann Nachteile haben, wenn man selbst betroffen ist. Das dürften Sie, die NAK, wie auch ich selbst schon leidvoll erfahren haben.

Gleich zu Beginn Ihres Briefes sprechen Sie die Gespräche mit dem "Gremium für besondere Angelegenheiten" an, zu denen Sie mich eingeladen hatten, und die zwischen Mai 1998 und November 1999 stattfanden. Wie Sie sich sicher erinnern, hatte ich im Vorfeld und zu Beginn unserer Gespräche immer wieder die Frage nach Sinn und Ziel von Seiten der NAK zu klären versucht. Soviel schien mir dann erkennbar zu werden: Sie wollten die Position und Kritikpunkte der Aussteiger erfahren. Und Sie wollten, wie Sie schreiben, versuchen "deutlich zu machen, dass sich die NAK in einem Fortentwicklungsprozess befindet".

Nun habe ich zusammen mit den anderen Eingeladenen Ihnen ungeschminkt meine Kritikpunkte erläutert. Großenteils stimmten Sie mir zu, teils hatten Sie eine andere Sicht, und teils bestritten Sie die Kritik. Ihrerseits beschrieben Sie die Veränderungsnotwendigkeiten, aber auch die Schwierigkeiten und sprachen von einem schwierigen Spagat, der von der

 

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Kirchenleitung zwischen den fortschrittlichen und den konservativen Kräften zu bewältigen sei, zum einen im Kreis der Mitglieder, zum anderen im Apostelkreis.

Die erfreuliche Tatsache, dass es Reformkräfte gibt, ist unverkennbar und wird von mir nicht bestritten, ja sogar ausdrücklich erwähnt in meinen Vorträgen. Allerdings mache ich keinen Hehl aus meiner Meinung, dass dieser "Fortentwicklungsprozess" bislang ganz überwiegend dazu diente, die Verpackung zu modernisieren und das Marketing zu verbessern, dass aber die Inhalte unverändert geeignet sind, nahezu alle Kritikpunkte aufrecht zu erhalten. Ich habe Ihnen dies klar erläutert. Wir haben auch über die unterschiedlichen Haltungen und Bestrebungen der Apostel gesprochen. Besonders erinnere ich an mein Beispiel des konservativen Bezirksapostels Klaus Saur, den ich sehr gerne bei unseren Gesprächen dabei gehabt hätte, was aber offenbar an seiner mangelnden Gesprächsbereitschaft oder –fähigkeit scheiterte. Die unerklärbar lange Verzögerung in der Frage der Veröffentlichung der Finanzzahlen scheint die enorme Blockadewirkung dieser gegenläufigen Kräfte in der Kirchenführung zu bestätigen. Es gibt also die offen erkennbare Uneinigkeit im Apostelkreis über Intensität und Richtung von Reformvorhaben, zum anderen –vielleicht auch daraus resultierend – die mangelhafte Umsetzung an der Basis, die von Verunsicherung über Euphorie bis Erstarrung reagiert. Ich habe auf diese Problematik deutlich hingewiesen und von ihnen moderate Zustimmung erfahren.

Sie werden sich auch erinnern, dass ich vorschlug, nicht nur einen kleinen Kreis von fünf Kritikern zum Gespräch einzuladen, sondern solche Gespräche der gesamten Kirchenbasis zugänglich zu machen. Ihr Gremium war hierzu der Auffassung, dass die Kirche bzw. die Masse der Gläubigen dazu noch nicht in der Lage sei.

Nun legen Sie Wert auf den "Fortentwicklungsprozess" und auf die Trennung zwischen Vergangenheit, Entwicklungen und Gegenwart. Lese ich da zwischen den Zeilen das Eingeständnis heraus, dass bezüglich der Vergangenheit der Kritik und den Kritikern recht gegeben wird? Es würde mich freuen. Denn:

Der scheinbare "Fortentwicklungsprozess" verändert in keiner Weise die Betroffenheit und die Schädigungen, die durch bisherige NAK-Doktin, -lehre und –praxis ausgelöst wurde. Wir haben darüber ausführlich gesprochen; ich denke, Sie erinnern sich. Es geht nicht um mein Buch oder meine Erfahrungen, die Sie wie alle Ihre Amtskollegen so gern als lokal und überzeichnet darstellen, um sie zu relativieren. Allein unsere Stuttgarter Selbsthilfe-Initiative hatte innerhalb weniger Jahre nach Gründung über 600 Zuschriften und Gespräche zu bewältigen von und mit Betroffenen, die auf ähnliche oder noch gravierendere Erfahrungen zurückblicken mussten. Auf mein Buch bekam ich über 150 Zuschriften. Und alle – aus allen Gebieten der Bundesrepublik, viele auch aus dem Ausland – bestätigten, dass sie ihr eigenes Leben nahezu identisch geschildert fanden. Alle diese Menschen – und das sind nur diejenigen, die ihre Seelennot in schriftliche Form brachten – haben zu be- und zu verarbeiten, was sie in dem NAK-System teils traumatisch erfahren und erlebt haben. Wollen Sie dies alles wegwischen? Ich habe Ihnen in unseren Gesprächen vorgeschlagen, ein Wort der Entschuldigung, der Buße zu finden, sich zum Irrtum (z.B. in Sachen J.G.Bischoff) zu bekennen.

Lieber Herr Dr. Wend, alle diese Fälle zeigen: Vergangenheit kann nicht von Gegenwart getrennt werden. Was die (kirchen)politische Entwicklung betrifft: teils ja. Was die betroffenen Menschen betrifft: NEIN! Für sie wirkt die Vergangenheit in der Gegenwart. Und der eine verarbeitet die Erfahrungen schneller, der andere weniger schnell. Ich empfehle hier Respekt und Achtung vor jeder einzelnen individuellen Entwicklung. Und ich erklärte Ihnen

 

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auch, dass ein durch religiöse Sozialisation in der NAK geprägter (oft geschädigter) Mensch die Vergangenheit nicht einfach mit einem Austritt wie aus einem Kleintierzüchterverein abschütteln kann. Hier sind bei sehr vielen Menschen seelische Prägungen entstanden, die ein ganzes Leben lang nachwirken können und der tiefgreifenden, zum Teil psychotherapeutischer Bearbeitung bedürfen.

Aber Sie haben recht: Die Kirchenführung formuliert Gedanken und nimmt Worte in den Mund, die früher undenkbar waren. Aber mit welcher Konsequenz und welcher Konsistenz, frage ich Sie. Ich habe mich wirklich gefreut, dass Sie uns zum Abschluss des letzten Gesprächs am 17.11.1999 ankündigten, auf uns erneut zuzugehen, sobald konkrete Ergebnisse der Reformdiskussion vorlägen. Ihr Offener Brief ist der erste Kontakt danach (mit Ausnahme Ihres Schreibens zur Frage der Zugänglichmachung der Statuten des NAKI Internationalen Apostelbundes). Sollte ich da annehmen, dass substantielle Veränderungen eingetreten sind? Ich beobachte die Entwicklung der NAK aus der mir gebotenen und gegebenen Distanz mit Interesse. Aber außer Gremiendiskussionen, Arbeitsgruppen, Diskussionspapieren kann ich wenig feststellen. Und selbst diese finden an der Spitze statt, teils ohne Wissen, teils nur mit Teilinformation der Basis. Die flachen und unverändert konservativen Standardpredigten des Stammapostels tun ein Übriges. Die kleinen Liberalisierungen, die eingetreten sind, kommen nicht zustande, weil die Führung anders denkt, sondern weil die Basis im Kontext der gesellschaftlichen Entwicklung und der öffentlichen Kritik den rigiden Kurs nicht mehr mit macht. Aber auch hier gibt es Gemeinden und Amtsträger, die den in sie hinein gepflegten Erz-Konservatismus weiter pflegen und damit Gläubige schädigen. Die Vielzahl der Betroffenenberichte, die aus jüngster Vergangenheit stammen, ist hierfür ein traurig-beredtes Zeugnis.

Noch mal: Ich verkenne nicht Ihre persönlichen Bemühungen und Verdienste. Aber mit Verlaub – und dies sagte ich Ihnen im November 1999 auch persönlich: Sie sind ein Teil der NAK, der Führung, aber eben nur ein Teil. Die Uneinigkeit der Apostel ist an jeder Ecke spürbar, in vielen Predigtaussagen nachweisbar. Und wo an der Spitze wissentlich und willentlich ein solcher Schlingerkurs gefahren wird, können Sie an der in Lehrfragen sehr festgefahren Basis keine substantiellen und breitflächigen Veränderungen bewirken.

Ich komme damit zu den Beispielen in Ihrem Offenen Brief:

Auch ich könnte die Beispiele endlos fortsetzen. Mein Buch beschreibt meine(!) Geschichte, und die lässt sich beim besten Willen nicht ändern. Bemühungen um Veränderungen sind

 

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eingeleitet, richtig. Es ist sehr zu hoffen, dass Sie bald über das Stadium der Bemühungen hinauskommen.

Sehr geehrter Herr Dr. Wend, ich kann Sie beruhigen. In meinen Vorträgen rede ich nicht über die Geschehnisse vor 30 Jahren, die in meinem Buch beschrieben sind. Ich bin bemüht, die Vorträge so aktuell wie möglich zu gestalten. Ein Beispiel: Ich spreche nicht von meinen Kindheitserfahrungen mit der Haltung gegenüber der evangelischen Verwandtschaft, sondern selbstverständlich von den neuesten Entwicklungen: Seit geraumer Zeit ist viel von Ökumene die Rede, sogar der Stammapostel macht sich laut Werbevideo Gedanken darüber (welche auch immer). Ich zitiere dazu sogar aus dem neuesten Brief des Stammapostels an die Bezirksapostel vom 4.Juli 2001 zur Beteiligung der NAK an ökumenischen Veranstaltungen. Dass in diesem Brief beispielsweise als unbedenklich angesehen wird, wenn sich ein NAK-Vertreter an der Einweihung eines Kindergartens beteiligt, sofern dieser nicht in kirchlicher Trägerschaft geführt wird, findet selbstverständlich meine Erwähnung. Allerdings gestehe ich, dass ich auch meine Kommentierung zu dieser Art von Veränderungsprozessen nicht unterdrücke. Nun mag Ihre Meinung von derjenigen des Stammapostels oder anderer Apostel mit konservativer Ausrichtung abweichen. Wenn ich allerdings Ihre Predigt beim Jugendtag in Rüsselsheim am 17. Juni 2001 (also gerade mal vier Monate alt) betrachte, dann sprechen Sie der Exklusivität der NAK ebenso das Wort wie sie ökumenischen Gedanken damit den Boden entziehen.

Ich erwähne allerdings auch die positiven Veränderungsprozesse. Nur: Ich mache auch sehr deutlich, dass für sehr viele positive Veränderungen die gesellschaftlichen Bedingungen und die kritische Öffentlichkeit maßgeblich sind, und dass die bisherigen negativen Entwicklungen in manchen Kirchenführern eine kritische Selbstreflexion und Bemühung um Veränderung ausgelöst hat. Weder die gläubigen Mitglieder noch die untere oder mittlere Amtsträgerebene sind verantwortlich für den derzeit erkennbaren Schlingerkurs. Es sind die Glaubensführer, in erster Linie der Stammapostel, die den Gläubigen wie auch den gesellschaftlichen Gesprächspartnern in Presse oder Ökumene ein völlig konträres Bild zu dem vermitteln, was sie innerhalb der Kirche vertreten. Dass dabei der Stammapostel damit den wesentlichsten Anteil zu der von ihm beklagten Verflachung beiträgt, wünsche ich ihm zuallererst zu erkennen.

Bitte veröffentlichen Sie meine Stellungnahme an gleicher Stelle im Internet, an der Ihr Offener Brief erschien.

Ich wünsche Ihnen weiterhin Gottes Segen und verbleibe

mit freundlichen Grüssen

 

Siegfried Dannwolf

 

PS: Gestatten Sie mir noch eine Bitte: Sie haben mir einen Offenen Brief geschrieben und eine Stellungnahme erhalten. Bitte beantworten Sie nun auch den Offenen Brief, den unsere Stuttgarter Selbsthilfe-Initiative am 10. Juni 1995 betreffend NAK und Nazi-Regime an Stammapostel/Kirchenpräsident Richard Fehr geschrieben hat und auf den sie nie eine Antwort bekam. Ich hänge den Text der Einfachheit halber dieser Stellungnahme an.


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