Sehr geehrter Herr Dannwolf,
dieser Tage kam mir ein Artikel von Klaus Leder im "Kasseler Sonntagsblatt - Der
evangelische Sonntagsbote für Kurhessen-Waldeck" vom 12.8.2001 in die Hände. Es
wird darin nicht deutlich, ob es sich um eine Besprechung des Buches "Gottes verlassene
Kinder" handelt. Da Sie häufig zitiert werden, liegt ihm vermutlich ein aktueller
Vortrag bzw. ein Gespräch mit Ihnen zugrunde; falls das der Fall ist, würde
mich das sehr befremden. Wir hatten versucht, Ihnen bei unseren Gesprächen im
"Gremium für besondere Angelegenheiten" deutlich zu machen, dass sich die
Neuapostolische Kirche schon seit längerer Zeit in einem Fortentwicklungsprozess
befindet. Sie ist heute weit entfernt von dem Bild, das Sie auf Grund lokaler Erfahrung
sehr subjektiv und - aus unserer Sicht - stark überzeichnet in Ihrem Buch darstellen.
Zu einer seriösen und an der Wahrheit orientierten Bewertung einer Organisation
gehört für mich, dass man - sofern man nicht ausschließlich die Historie
darstellt - sauber zwischen Vergangenheit, Entwicklungen und Gegenwart trennt. Die
Veröffentlichung im Kasseler Sonntagsblatt jedenfalls leistet das nicht.
Beispielhaft will ich an drei zentralen Punkten die heutige Haltung der Neuapostolischen
Kirche deutlich machen:
- Laut Artikel soll ein Priester der Neuapostolischen Kirche (wann?) in einem Konfirmations-
gottesdienst folgendes erzählt haben: "Eine Mutter ist in großer Seelennot, weil ihr Sohn
nach der Konfirmation die Gottesdienste nicht mehr besuchen will. Sie betet intensiv für
ihr Kind. Kurz vor der Konfirmation verunglückt der Junge tödlich. Die Mutter dankt Gott
für seine Liebe, dass er ihr Kind zu sich nahm, bevor es glaubensmäßig untreu werden konnte."
So etwas ist absoluter Unsinn und würde auf scharfe Kritik der Kirchenleitung stoßen, weil
es in klarem Widerspruch zu unserem Menschen- und Gottesbild steht.
- In dem Artikel werden die Erziehungsmethoden in der NAK scharf kritisiert.
Diese Darstellung des Umgangs mit unseren Kindern entspricht eindeutig nicht den Gegeben-
heiten. Wie wir Sonntagsschule halten, ergibt sich aus dem entsprechenden Lehrwerk, das wir
Ihnen nach meiner Erinnerung auch zur Verfügung gestellt haben. Unsere Haltung den Kindern
gegenüber zeigt sich auch in der Zeitschrift "Wir Kinder", die im "Materialdienst der
Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen", Heft Nr. 6/2000, Seite 211/212, mit
positiver Grundtendenz besprochen wurde.
- Der Artikel stellt - unter Berufung auf Ihre damaligen Erfahrungen - besonders heraus, dass
gläubige Neuapostolische die "Welt meiden sollen." Dagegen gilt, dass Kino, Sport,
kulturelle Veranstaltungen u. ä. kein Thema für die Kirche sind. Wie jeder in dieser
Hinsicht sein Privatleben gestaltet, ist ausschließlich seine eigene Sache. Es werden auch
keine (weder direkt noch indirekt) Freundschaften mit "Weltkindern" als unerwünscht
bezeichnet. Viele unserer Mitglieder haben nichtneuapostolische Freunde und Bekannte, einen
völlig normalen Umgang mit ihren Nachbarn, Kinder gehen unbefangen auf Kindergeburtstage
ihrer Freunde usw.
Diese Beispiele ließen sich fortsetzen. Sie sehen daraus, dass unsere Kirche nach
der schon seit Jahren aus innerer Überzeugung der Kirchenleitung in die Wege geleitete
Öffnung völlig anders zu bewerten ist als in Ihrem Buch und vor allen Dingen als
in den hier angesprochenen Zeitungsartikeln. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie
- wenn nicht schon geschehen - diese Tatsachen bei eventuellen Vortrags- und vergleichbaren
Aktivitäten berücksichtigen würden.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Hagen Wend