Bericht aus der Duesseldorfer "Neue Rhein-Zeitung", Samstag, den 5. Februar 1955.

Stammapostel Bischoff sagt: ICH WERDE NICHT STERBEN
"Christus kommt noch zu meiner Lebenszeit wieder" - Streit in der Neuapostolischen Kirche
Von unserem Chefreporter Kurt Gehrmann

Duesseldorf. Die Neuapostolische Kirche mit ihren rund 500000 Mitgliedern ist von schweren Erschuetterungen bedroht. Die Hauptleitung der Kirche in Frankfurt hat am 23. Januar drei nordrhein-westfaelische Apostel (Kirchenpraesidenten) ausgeschlossen. Die Folge ist die Neugruendung einer "Apostolischen Gemeinde" durch die drei Ausgestossenen, an der Spitze Apostel Peter Kuhlen, Duesseldorf sowie durch zwoelf weitere Bischoefe und Bezirksaelteste. Die Ursache ist eine Botschaft des Stammapostels, das heisst des kirchlichen Oberhauptes. Stammapostel J.G. Bischoff verkuendete vor drei jahren im Weihnachtsgottesdienst in Giessen: "Ich sterbe nicht mehr, Christus kommt noch zu meiner Lebzeit wieder." Stammapostel Bischoff wurde am 2. Januar dieses Jahres 84.

Am 6. Januar 1955 schrieben 15 Apostel, Bischoefe und Bezirksaelteste der Neuapostolischen Kirche aus Nordrhein-Westfalen einen langen Brief nach Frankfurt. Sie erinnerten ihren Stammapostel daran, dass schon einmal in der Geschichte ihrer Kirche die vermeintliche goettliche Verheissung, dass Jesus "noch zu meiner Lebzeit wiederkommen werde", sich als menschlicher Irrtum erwiesen habe. Der Apostel Schwarz, der 1863 in Deutschland die Neuapostolische Kirche gruendete und der einmal von einer solchen Verheissung gesprochen hatte, ging allerdings nicht so weit, diese Verheissung zum unumstoesslichen Glaubenssatz zu erheben.

Aber jetzt: Neues Dogma. Der Stammapostel J.G. Bischoff jedoch verlangt von seinen Bruedern und Schwestern den Glauben an das neue Dogma: "Mir ist vom Herrn Jesus eine unmittelbare persoenliche Offenbarung geworden, mit der er mir selbst seine Wiederkunft zu meiner Lebenszeit mitgeteilt hat." Und er betont: "Diese Verheissung ist kein Ergebnis von Traeumen oder Gesichten."

"Fuehrungsanspruch." Nach einer Darstellung, die Bischof Weine von der Hauptleitung der Neuapostolischen Kirche in Frankfurt zu dem Konflikt gibt, liegen "die tieferen Ursachen zu den Differenzen in den missglueckten jahrelangen Versuchen, einen Fuehrungsanspruch in der Neuapostolischen Kirche durchzusetzen, der nun in einer Separierung seinen Ausdruck fand."

Zum Nachfolger gewaehlt. Bischof Weine spielt damit offensichtlich darauf an, dass der jetzt ausgestossene Apostel Kuhlen schon einmal zum Nachfolger des jetzigen Stammapostels ausersehen war. Im Hinblick auf das hohe Alter von Stammapostel Bischoff war naemlich im Fruehjahr 1948 der damals 49jaehrige Kuhlen vom gesamten Apostelkollegium in geheimer Wahl einstimmig zum Nachfolger gewaehlt worden. Im August 1948 hatte ihn der Stammapostel selbst in einem feierlichen Gottesdienst in das Nachfolgeamt eingesetzt.

Wieder zurueckgetreten. Kuhlen trat jedoch von diesem Nachfolgeamt wieder zurueck, da er fuer die Zukunft schwere glaubensmaessige Auseinandersetzungen vorausahnte. Seine Anhaenger sagen heute: "Wie haette er auch Nachfolger sein koennen, wenn die Anhaenger des Stammapostels ueberzeugt sind, dass dieser nicht sterben und daher ueberhaupt keinen Nachfolger noetig sein wuerde?" Ein anscheinend unloesbarer Konflikt.

Auch im Ausland. Da der Frankfurter Stammapostel auch den Neuapostolischen Kirchen im Ausland vorsteht, hat der Streit um die Wiederkunft Jesu auch jenseits der Grenze Wellen geschlagen. Besonders in Holland und in der Schweiz spielen sich aehnliche Vorgaenge ab wie in Westdeutschland. Man ist sich einig darin, dass gemaess der Heiligen Schrift "der Herr wiederkommen wird". Aber Zeit und Stunde kann niemand wissen. Nur Gott selbst weiss es.
Was wird nun, wenn der jetzt 84jaehrige Stammapostel Bischoff dennoch stirbt? Viele, die an seine Offenbarung glauben, sollen schon gesagt haben: "Dann glauben wir an gar nichts mehr." Und diese Konsequenz fuerchten die apostolischen Christen, die zurzeit ihre Kirche verlassen, am meisten.

Dieser Artikel trug noch die Photos von J.G. Bischoff und P. Kuhlen. Unter den Photos war als Bemerkung zu lesen: J.G. Bischoff sagt: "Ich sterbe nicht." Apostel Kuhlen: "Irrtum moeglich."

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