Inoffizielles Arbeitspapier der NAKI-Projektgruppe "Lehre und Erkenntnis" von Anfang 1998
Das vierfache Amt
1. Ursprung und Inhalt der Lehre
Die Lehre vom "vierfachen Amt" ist ein spezieller Verkuendigungsinhalt der katholisch-apostolischen Kirche, die Kirche Jesu Christi habe eine innere Ordnung, die auf vier Aemter (Apostelamt, Prophetenamt, Evangelistenamt und Hirtenamt) aufgebaut ist. Diese geistige Ausruestung der Gemeinde hat ihren Ursprung in folgenden biblischen Vorbildern:
- die vier Hauptwasser des Gartens Eden (1. Mose 2,10-14)
- die vier Cherubim (Hesekiel 1,5-20; 10,1-22)
- die vier Lebewesen (Offenbarung 4,6-11)
- die vier Hoerner am Altar (2. Mose 27,2)
- die vier Saeulen der Stiftshuette (2. Mose 26,32; 36,36)
- die vier Farben des Vorhanges im Tempel (2. Mose 36,35-37)
- die vier Paniere des Volkes Israel (4. Mose 1,52)
- die vier Evangelisten
- die vier Wesenseigenschaften des Menschen (Wille, Phantasie, Verstand und Gefuehl).
Mit dieser Lehre soll die Frage nach den Aemtern der Kirche Christi beantwortet werden, wozu insbesondere auf die zentrale Textstelle Epheser 4, 11-18, aber auch auf 1. Korinther, 12.-14. Kapitel hingewiesen wird.
Zur Begruendung der Lehre wird von einem Gedanken ausgegangen, der auf Hebraeer 10,1 zurueckgeht. Die Einrichtungen des Neuen Testaments seien durch bestimmte "Vorschatten" oder "Schattenbilder" vorgezeichnet, Aus ihrer Bildlichkeit nimmt man den Schluessel zum Verstaendnis der gegenwaertiger und zukuenftiger Dinge. Dem vierfachen Amt, das durch die Amtsklasssen Apostel, Propheten, Evangelisten und Hirten dargestellt ist, wurde in der katholisch-apostolischen Kirche das dreifache Gemeindeamt zugeordnet. Es besteht aus den drei Stufen; Diakone, Priester (Aelteste) und Bischoefe (Engel).
2. Die Lehre vom vierfachen Amt in der Neuapostolischen Kirche
Allgemein ist ein Amt ein Dienst, der auftragsgemaess getan wird. Ein geistliches Amt ist ein Dienst durch Beauftragung und wird in der Kraft des Heiligen Geistes ausgeuebt. Jesus Christus hat nur ein Amt, das Apostelamt, gestiftet, aus dem alle weiteren Aemter der Kirche hervorgegangen sind. Sie bildeten sich je nach Beduerfnis und gingen auf die verschiedenen Geistesgaben zurueck. Erst in spaeterer Zeit entstand aus den hier und da wirkenden Aemtern ein System von festen kirchlichen Aemtern (Aemterhierarchie).
Betrachtet man die zur biblischen Untermauerung der Lehre vom vierfachen Amt herangezogenen Aussagen des Apostels Paulus (Epheser 4, 11 und 1. Korinther 12, 28) im Zusammenhang, muss man feststellen, dass es dem Apostel Paulus nicht darum ging, eine Aemterhierarchie der Kirche Christi zu beschreiben. Sonst haette er noch das Amt eines Bischofs und das des Aeltesten in die Beschreibung aufnehmen muessen, deren Bedeutung er in anderen Briefen besonders hervorhebt (vgl. 1. Timotheus 3; Titus 1, 5 ff.). Zudem war das erste Hilfsamt der Apostel (Almosenpfleger - Diakonenamt) hinlaenglich bekannt (vgl. Apostelgeschichte 6, 1-6).
In 1. Korinther 12-14 tadelt der Apostel Paulus die falsche Wertung der Geistesgaben, besonders jene der Sprachengabe), der auffallende Aeusserungen die Korinther in ihrem Wert ueberschaetzten. Diesem begegnet er durch seine Belehrung, indem er vor allem im 1. Korinther 12, 28 auf die Rangordnung der Geistesgaben, nicht der Aemter hinweist. Dass "Apostel" zugleich auch ein Amt bezw. das Amt der Kirche ist, bleibt unbestritten, ist jedoch fuer die Auslegung des Textes nicht massgebend.
In den ersten drei Generationen lebten die Gemeinden ohne feste Ordnung. Man kannte den Dienst der Diakone, Evangelisten und Bischoefe; auch wurden nach juedischer Tradition Aelteste, (Presbyter) eingesetzt. Erst gegen 100 n.Chr. wurde unter Fuehrung der Bischoefe eine feste Amtsordnung (Aemterhierarchie) gebildet. Bezogen auf die Lehre vom vierfachen Amt besagt dies, dass die Situation in den urchristlichen Gemeinden keine verbindliche Auskunft auf die Frage gibt, welche Aemter die Kirche Christi haben muesse.
3. Die vier Lebewesen
Sowohl der Prophet Hesekiel (Hesekiel 1 und 10) als auch der Apostel Johannes (Offenbarung 4,9 und 5) sehen Bilder von den vier Tieren (genauer uebersetzt: vier Lebewesen). Wann auch in der Beschreibung des Hesekiel und Johannes eine, gewisse Uebereinstimmung besteht, sind dennoch deutliche Unterschiede feststellbar. Diese liegen weniger darin, wie die Gestalt der Lebewesen beschrieben ist, und weniger darin, dass sie Hesekiel in Kapitel 10 als Cherubim bezeichnet, sondern vor allem in deren Taetigkeiten:
- bei Hesekiel:
Sie offenbaren sich in ungestuemen Wind, einer Wolke voll Feuer, in Blitzen, sie
laufen hin und her.
- in der Offenbarung:
Sie bringen Gott Anbetung, Dank und Preis.
Darin wird der Unterschied der Offenbarung der Herrlichkeit Gottes im Alten und Neuen Testament deutlich:
Altes Testament: Gesetz
Neues Testament: Gnade.
Welche Bedeutung haben nun die vier Lebewesen gemaess der Offenbarung?
Sie sind Teil der himmlischen Regierung, repraesentieren die Macht und Majestaet Gottes (Loewe: Herrschaft; Ochse: Macht, Geduld; Mensch: Weisheit; Adler: Weitsicht) und erfuellen folgende Aufgaben:
a) Lobpreis und Anbetung Gottes sowie des Lammes (Offenbarung 4,9; 5,9; 19,4). Das
geschieht vor allem dann, wenn ein besonderer Abschnitt im Heilsplan Gottes beginnt oder
erfuellt ist, z. B.
- als des Lamm das Buch mit den 7 Siegeln nahm (Offb. 5,5 ff.)
- die Versiegelungs- und Erloesungsarbeit viel Frucht gebracht hat (Offb. 7,10-12)
- Babylon gefallen ist (Offb. 19, 4)
b) Nach dem jeweiligen Brechen der ersten vier Siegel durch das Lamm treten durch Ruf eines der vier Lebewesen Ereignisse in Erscheinung, die die Vollendung des Heilsplanes einleiten (Offb. 6, 1-8).
Keines der vier Lebewesen hat den Auftrag empfangen, auf Erden Erloeserdienste zu leisten, Versiegelungsarbeit zu verrichten, das Evangelium zu verkuendigen - alles Taetigkeiten, die in einem vierfachen Amt enthalten sein muessten. Im Mittelpunkt der Vision des Johannes steht das Lamm, Es allein bezieht alle Aemter seines Erloesungswerkes auf sich.
Aus diesen Ausfuehrungen ist ersichtlich, dass die vier Lebewesen nicht mit einem vierfachen Amt in Verbindung gebracht werden koennen.
4. Zusammenfassung
Abschliessend laesst sich festhalten:
Die Lehre vom vierfachen Amt ist ungeeignet, die Frage nach den Aemtern der Kirche Christi
zu beantworten. Der Lehrinhalt ist nicht haltbar.
a) Die Aussagen des Apostels Paulus lassen sich nicht im Sinne einer festen Aemterordnung deuten.
b) Die Situation in den urchristlichen Gemeinden laesst nicht zwingend die Folgerungen im Sinne der Lehre zu.
c) Die Deutung der vier Lebewesen kann nicht mit einen vierfachen Amt in Verbindung gebracht werden.